Eine Firmenübernahme kann riskant sein – aus rechtlicher, betriebswirtschaftlicher, finanzieller oder psychologischer und emotionaler Sicht. Die Übernahme der Wicki + Ambühl AG durch JDMT Medical Services in die neue JDMT Training AG gelang allerdings ziemlich reibungslos. Wir sprachen mit Fabian Brütsch über die Herausforderungen, über seine Erfahrungen, seine Learnings und seine Tipps rund um eine gelungene Firmenübernahme.
Es kann verschiedene Gründe und Anreize haben, eine Firma zu verkaufen oder zu kaufen. Ein Käufer kann auf Bestehendem aufbauen, von den Erfahrungen des Vorgängers profitieren und Risiken besser kalkulieren. Es besteht ein Kundenstamm und ein gewisser Bekanntheitsgrad. Für den Verkäufer geht es sehr oft um eine Nachfolgeregelung, die sich intern vielleicht nicht finden liess, oder man kann sein Unternehmen ohne einen finanziell stärkeren Partner schlicht nicht mehr weiterentwickeln.
Eine Firmenübernahme kann allerdings auch eine riskante Angelegenheit sein. Rechtliche, betriebswirtschaftliche, finanzielle, psychologischer und emotionaler Aspekte müssen beachtet werden. Vorab muss sich ein Käufer verschiedene Fragen stellen. Dazu gehören Fragen wie:
- Warum will der bisherige Unternehmende seinen Betrieb verkaufen?
- Wie ist der Zustand der Unternehmung, warum ist sie erfolgreich, welchen Wert hat sie?
- Wie sind die mittelfristigen Aussichten und wie ist die Wettbewerbssituation?
- Wird die Kundschaft auch künftig die Produkte nachfragen?
- Ist man selbst für die Übernahme qualifiziert?
- Welche Mitarbeitende sind für die Qualität und Weiterentwicklung der Produkte wichtig und können die Know-how-Trägerinnen und -Träger gehalten werden?
- Können bestehende Verträge übernommen werden?
- Passt der Standort?
- Passen die Werte des Unternehmens zu denen des Käufers?
- Kann die Übernahme in Ruhe und mit Zeit geplant und umgesetzt werden?
Ziele und Zeitplan für die Firmenübernahme
Schauen wir uns das am Beispiel der Wicki + Ambühl AG und JDMT Medical Services an. Vor rund vier Jahren, im Jahr 2018, trafen sich JDMT-Geschäftsführer Andreas Juchli und Jost Wicki zu einem Austausch. Die beiden kannten sich schon lange, sassen gemeinsam in verschiedenen Kommissionen. Wicki wollte sich nach 25 Jahren als Geschäftsführer des von ihm gegründeten Unternehmens langsam zurückziehen und suchte nach einer Nachfolgelösung.
Andreas Juchli wiederum wollte die JDMT im Bereich Erste-Hilfe-Ausbildungen weiterentwickeln und wachsen. Die beiden wurden sich rasch einig und definierten Anfang 2022 als passenden Zeitpunkt. Sie arbeiteten einen Vertrag aus, ansonsten passierte aber noch nicht viel. Beide Unternehmen hatten Zeit, sich auf die Übernahme vorzubereiten.
Gemeinsamkeiten und Unterschiede
Die Philosophie der beiden Unternehmen lag nicht allzu weit voneinander entfernt. Wer Erste-Hilfe-Ausbildungen anbietet, ist zertifiziert und hat klare Vorgaben zu Kurszielen und Methoden. Beide Unternehmen arbeiteten mit einem Kern von festangestellten Mitarbeitenden, die das Tagesgeschäft führten, und mit freischaffenden Dozenten, die vor Ort und während den Kursen die Leistungen erbrachten.
Von der Struktur her unterschieden sich die beiden Unternehmen an gewissen Punkten. JDMT ist etwas breiter aufgestellt und hat neben den Ausbildungen ein vielseitigeres Angebot. Ausserdem ist JDMT schweizweit und mehrsprachig tätig, während die Wicki + Ambühl AG eher auf die Zentral- und Nordwestschweiz fokussiert war.
Ein weiterer Unterschied: JDMT führte Ausbildungen vor allem bei den Kunden vor Ort durch und konnte kundenspezifische Aspekte leicht in die Ausbildungen einbauen. Das war für die Wicki + Ambühl AG schwieriger. Sie führte ein zentrales Schulungszentrum in Olten, wo Teilnehmende aus unterschiedlichen Firmen die Kurse besuchten.
Skalierbarkeit der Angebote
Das Geschäftsmodell der JDMT ist auf Skalierbarkeit ausgelegt. Um mehr Aufträge erfüllen zu können, braucht es schlicht mehr Fahrzeuge, mehr Material und mehr Mitarbeitende, die bei JDMT meistens Medizinstudenten sind. Vor der Pandemie führte JDMT rund 1000 Ausbildungen pro Jahr durch, diese Zahl kann aber prinzipiell rasch verdoppelt oder verdreifacht werden.
Mit dem zentral gelegenen Standort und den Kursräumlichkeiten der Wicki + Ambühl AG in Olten war das vergleichsweise schwierig. Hier war man räumlich eingeschränkt. Auch die guten persönlichen Beziehungen zu den Dozenten und Mitarbeitenden liessen sich nicht einfach so multiplizieren.
Interne personelle Organisation
JDMT wurde während der Pandemie zu einem wichtigen Eckpfeiler in Sachen Contact Tracing. Im April 2021 befand sich die Schweiz noch mitten in der Pandemie und Fabian Brütsch führte ein JDMT-Team mit rund 100 Mitarbeitenden im Bereich Contact Tracing. Da fragte Andreas Juchli, ob er sich vorstellen könne, ab Anfang 2022 Geschäftsführer einer neuen Tochtergesellschaft zu werden, in der die Ausbildungs-Angebote der JDMT und der Wicki + Ambühl AG vereint würden.
Brütsch schlief eine Nacht darüber und sagte am nächsten Tag zu. Im Sommer 2021 schaute er sich die Räumlichkeiten der Wicki + Ambühl AG in Olten erstmals an und führte erste Gespräche mit Jost Wicki und mit den Dozenten des Unternehmens. Doch die Pandemie war noch nicht vorbei. «Bis Februar 2022 war ich noch immer sehr stark im Contact Tracing involviert, obwohl ich seit Anfang 2022 eigentlich Geschäftsführers eines neuen Tochterunternehmens war», erzählt Brütsch. «Dann erst konnte ich das Contact Tracing abgeben und mich voll auf die neue Aufgabe konzentrieren. Die offizielle Übernahme der Wicki + Ambühl AG war erst Mitte März 2022 abgeschlossen.»
Interne administrative Organisation
Eine Firmenübernahme braucht viel Zeit – insbesondere, weil das Tagesgeschäft in beiden Firmen weiterläuft. «Man kann nicht einfach eine gegenseitige Angleichung machen und dann weiterarbeiten, man muss parallel Leistungen erbringen», sagt Fabian Brütsch. «Durch meine Rolle im Contact Tracing blieb nicht viel Zeit, um mich auf meine neue Aufgabe vorzubereiten.»
Sich um Handelsregistereinträge, Versicherungen, Banken, Standortmiete, Kunden, Lieferanten, Partner, Abonnemente und Arbeitsverträge zu kümmern, ist naheliegend. Doch hier gibt es Abhängigkeiten. Die Wicki + Ambühl AG hatte ihren Sitz im Kanton Luzern und ihren Standort im Kanton Solothurn, die JDMT ist wiederum im Kanton Zürich daheim. Um dies zu konzentrieren, ist man auf externe Stellen angewiesen. Auch das braucht Zeit.
Laufend tauchten neue Details auf, an die noch keine Checkliste für eine Firmenübernahme dachte. Beispielsweise schaffte die IT eine Menge Herausforderungen, auch hinsichtlich den Sicherheitsansprüchen. JDMT arbeitet mit vertraulichen Daten und für Banken und Behörden und muss hohen Ansprüchen gerecht werden. Die Webseiten, Kalender und E-Mails der Wicki + Ambühl AG mussten in diese Architektur übernommen werden. «Das sind eigentlich kleine Dinge, die im Kontext betrachtet aber plötzlich zu grossen Brocken werden», sagt Fabian Brütsch.
Hinzu kommt: Die neue JDMT Training AG ist nur eine von vier neu gegründeten Tochtergesellschaften der JDMT Medical Services AG. Auch firmenintern gibt es Abhängigkeiten und neue Erkenntnisse in einer Tochtergesellschaft haben Auswirkungen auf die anderen Gesellschaften.
Integration oder Zusammenführung?
Die Übernahme betrachtet Fabian Brütsch vorerst als Integration, künftig aber eher als Zusammenführung. «Das Angebot der Wicki + Ambühl AG in Olten wird derzeit weitergeführt», sagt er. «Wir haben nicht die Kapazitäten, gleich alles umzukrempeln. Selbst wenn wir sie hätten, würden wir das wohl nicht tun. Aber früher oder später wird es eine Zusammenführung geben.»
«Die Rezertifizierung wird ein wichtiger und grosser Schritt für eine Vereinheitlichung des Angebots.»
Dann dürften von beiden Unternehmen gewisse Elemente beibehalten und andere Elemente verändert werden. Es steht bald eine Rezertifizierung an und neue Kursrichtlinien werden kommen. Die aktuell gültigen Kurseingaben der Wicki + Ambühl AG unterscheiden sich von jenen der JDMT, rund um die Unterlagen, die Ziele und die Stundenpläne. «Es wäre aber sinnfrei, dies auch künftig so weiterzuführen», sagt Brütsch. «Die Rezertifizierung wird ein wichtiger und grosser Schritt für eine Vereinheitlichung des Angebots.»
Mitarbeitende und Kunden
Selbstverständlich stellt sich in einer solchen Situation die bange Frage: was geschieht mit den Mitarbeitenden? Im Fall der Wicki + Ambühl AG wurde die festangestellte Backoffice-Expertin Esther Tschumi voll übernommen. Sie bildet in der JDMT Training AG eine wichtige Stütze und kennt Strukturen, Prozesse und Kunden des übernommenen Unternehmens aus dem Effeff.
Auch die meisten freischaffenden Dozenten der Wicki + Ambühl AG bleiben erhalten. Einige wenige nutzten jedoch den Zeitpunkt, um sich neu zu orientieren oder in den Ruhestand zu treten. «Wer noch dabei ist, wird auf die gleiche Art und Weise geführt wie gewohnt», sagt Fabian Brütsch. «Sie machen auch die Kurse gleich wie vorher. Aber sollte jemand kurzfristig ausfallen, können wir solche Lücken nun mit JDMT-Freelancern füllen.»
Eine Firmenübernahme hat natürlich zum Ziel, dass auch die Kunden übernommen werden können. «Die meisten Kunden haben Verständnis, dass Jost Wicki kürzertreten möchte und sie freuen sich auf die Zusammenarbeit mit uns. Auch hier hilft es, dass ihnen die altbekannten und geschätzten Kurse erhalten bleiben. Manche Kunden nutzen die Gelegenheit, um ihr gesamtes Erste-Hilfe-Konzept zu überdenken. Hier können wir Kombinationen mit anderen JDMT-Angeboten ausarbeiten.»
«Man sollte nie mit Kommunikation geizen, weder intern noch extern.»
Learnings und Tipps für eine Firmenübernahme
Für JDMT wurde durch die Übernahme bestätigt, was das Unternehmen schon lange vermutete, aber nicht anbieten konnte: «Inhouse-Kurse, wo Mitarbeitende aus verschiedenen Betrieben an einem Ort zusammenkommen, werden sehr geschätzt und funktionieren gut – sofern man sie früh genug plant und die Kunden diese Termine reservieren können», sagt Brütsch. «JDMT machte das bis anhin nicht. Bei uns war die Organisation der Kurse den Kunden überlassen, sie kamen eher kurzfristig auf uns zu und wir hatten uns daran gewohnt, Kurse kurzfristig zu organisieren. Aber diese langfristige Planung von Inhouse-Kursen werden wir auf jeden Fall fortführen.»
Die akribische Planung von Jost Wicki ist ohnehin ein Element, von dem sich Fabian Brütsch eine Scheibe abschneiden möchte. «Er hat einen direkten Draht zu seinen Dozenten, betreute sie sehr gut und plante alles weit voraus», sagt Brütsch. «Bei JDMT ist das aufgrund der Unternehmensgrösse schwieriger, aber wir können den direkten Draht und die Planung bestimmt noch verbessern.»
Die wichtigste Herausforderung sei jene der Kultur und der Wahrnehmung, sagt Brütsch. «Vor allem die übernommenen Mitarbeitenden müssen den Wechsel positiv wahrnehmen. Für sie muss es möglichst reibungslos funktionieren. Sie müssen erhalten bleiben. Das sind wichtige und gute Ausbildner, die wir nicht verlieren möchten. Wenn sie nicht mehr am gleichen Strick ziehen, funktioniert es nicht mehr.»
Generell kann Fabian Brütsch aus seinen Erfahrungen aber kaum Tipps für andere Unternehmen ableiten: «Eine Firmenübernahme ist sehr abhängig von der Ausgangslage und den Firmenstrukturen der Unternehmen. Auf jeden Fall sollte man mehr Zeit einplanen, als man zu brauchen denkt. Und man sollte nie mit Kommunikation geizen, weder intern noch extern. Man muss miteinander reden und seine Ansprechpartner kennen. Man muss sich trauen, Fragen zu stellen. Man muss wissen, wo man welche Informationen erhalten kann. Es ist sehr wertvoll, wenn man das weiss – und sehr mühsam, wenn man es nicht weiss.»
«Vor allem die übernommenen Mitarbeitenden müssen den Wechsel positiv wahrnehmen.»
Ziele für die kommenden Jahre
Die Firmenbezeichnung JDMT Training AG lässt das im Firmennamen der Muttergesellschaft JDMT Medical Services enthaltene ‘Medical’ übrigens nicht ohne Grund vermissen. «Wir möchten uns zwar nach wie vor stark auf die Ausbildungen im Ersthelfer-Bereich konzentrieren und unser Angebot diesbezüglich erweitern», sagt Fabian Brütsch. «Jedoch ist JDMT längst nicht mehr nur in der Ersten Hilfe tätig. Zu unseren Kernkompetenzen gehören die Medizin im engeren Sinn, aber auch die Gesundheit, humanitäre Leistungen, Notfall- und Krisenmanagement sowie die Mitwirkung in anspruchsvollen ad hoc-Projekten. In allen diesen Bereichen kann und will die JDMT Training AG künftig Ausbildungsleistungen anbieten. Deshalb haben wir auf den Begriff Medical im Firmennamen bewusst verzichtet.»