Seit fünf Jahren ist die Webapplikation «safely» auf dem Markt. Wir wollten von Marco Lobsiger wissen, wie sie sich von der Idee zur heute marktführenden digitalen Lösung für Arbeitssicherheit entwickelt hat.
safely ist eine cloudbasierte Webapplikation zur praxisorientierten Umsetzung von allen gesetzlich relevanten Themen rund um Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Sie wird von der Firma Lobsiger & Partner GmbH angeboten, deren Geschäftsführer Marco Lobsiger wir zum Gespräch trafen.
Wie kam es eigentlich zur Idee, «safely» zu entwickeln?
Die Idee an sich war nicht ganz neu, denn wir hatten bereits vor mehr als 15 Jahren einen Versuch gestartet. Damals waren wir vermutlich der Zeit zu weit voraus, weshalb sich das Produkt nicht wie erhofft entwickelt hat. Beispielswese konnte man damals noch nicht erahnen, dass es bald Tablets geben wird, welche den Einsatz eines solchen Tools massiv vereinfachen.
Eine Zeit lang berieten wir unsere Kunden dann ohne eine passende Software. Als ich das Familienunternehmen übernahm, stellte ich mir die Frage, wie ich es ausrichten will. Beratungsunternehmen wie unseres gibt es nämlich viele, sowohl etablierte als auch neue. Ich sah weiterhin das Potenzial einer guten digitalen Lösung. Also entschlossen wir uns, «safely» zu realisieren und das Unternehmen zu einem Softwareanbieter zu transformieren.
Sie versuchten sich also in neuen Gefilden?
Das war nicht nach dem Motto «Let’s try», dafür war es finanziell eine zu grosse Angelegenheit. Es war eher nach dem Motto «Alles oder nichts». Wir wollten die Software zu unserem Kerngeschäft machen und damit Marktführer werden.
Arbeitssicherheit ist eine digital mässig affine Branche, 2018 war sie es noch viel weniger – und trotzdem haben Sie es gewagt?
Als wir uns 2017 dafür entschieden, war das ein guter Zeitpunkt. Die ‘First Mover’ wollten eine solche Lösung. Aber es ist schon so: erst jetzt kommen auch andere von sich aus auf uns zu. Natürlich findet ein Generationenwechsel statt, es drängen jüngere und digital affinere Sicherheitsbeauftragte in den Markt. Sie suchen von Beginn weg nach einer solchen Lösung. Doch schon 2017 sah man, dass auch diese Branche digitaler würde. Für alles gab es bereits digitale Anwendungen, nur für Arbeitssicherheit hiess die digitale Anwendung noch Excel. Natürlich ist safely heute wie damals die Premiumversion, um die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz zu dokumentieren. Es geht auch heute noch mit Excel, man stösst einfach rasch an Grenzen und verpasst viele Chancen.
Gab es nicht auch Firmen, die lieber selber etwas kreieren wollten?
Manche Unternehmen machten das zwar, aber sie stellten bald fest, dass man eine solche Lösung auch unterhalten muss, wenn sie einmal erstellt ist. Dies wird häufig unterschätzt und die anfänglich kalkulierten Kostenersparnisse kommen um ein Mehrfaches wie ein Bumerang zurück. Und wenn es schon ein Tool auf dem Markt gibt, muss man die Welt nicht neu erfinden. Man kann das Tool nutzen, eine Lizenz bezahlen, und der Anbieter kümmert sich um den Rest.
Wenn man mit safely vier Tage unfallbedingte Ausfälle verhindert, hat sich die Lizenz schon gerechnet – ganz zu schweigen von der erhöhten Rechtssicherheit, die safely zudem bietet. Dieser zusätzliche Gewinn lässt sich schwer beziffern, wenn jedoch durch die saubere Dokumentation ein Gerichtsprozess zu Gunsten des Unternehmens verläuft, sind die Lizenzkosten um ein Vielfaches amortisiert. Und: wir sind im Kern kein IT-Unternehmen, sondern ein Beratungsunternehmen für Arbeitssicherheit – und wissen dadurch, was die Menschen draussen brauchen. Wir kennen die Bedürfnisse aus der Praxis und haben die App auf die Tätigkeiten draussen zugeschnitten.
«Wir wollten die Software zum Kerngeschäft machen und damit Marktführer werden. Beides haben wir erreicht.»
Welche Grundüberlegungen machten Sie sich am Anfang?
Wir überlegten uns zwei Alleinstellungsmerkmale. Wir waren ja nicht die ersten, beispielsweise gibt es aus Deutschland bereits grössere Anbieter. Unser Alleinstellungsmerkmal sollte deshalb sein: Aus der Schweiz, für die Schweiz – gerade im Hinblick auf die EKAS-Ausrichtung. Unsere Werbevideos sind in Schweizerdeutsch, wir sprechen die Sprache der Kunden und auch die Sprache der Entwickler, die gerade neben uns sitzen. Man kann die App natürlich auch im Ausland einsetzen, aber wir vermarkten sie nicht aktiv im Ausland.
Und der zweite USP?
Das Ziel ist, Effizienz, Dokumentation und Rechtssicherheit zu erreichen. safely ist nur ein Tool, um diese Ziele zu erreichen, also eigentlich ein Produkt hinter dem Produkt. Hier kommt das zweite Alleinstellungsmerkmal ins Spiel. Wir sind auch eine Fachstelle für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, können eine Modelllösung liefern, und dann erhält der Kunde alles aus einer Hand. Er kann uns sowohl fachliche Fragen stellen als auch solche zum System, wir können beide beantworten.
Aus der Schweiz, für die Schweiz – im Ausland zu programmieren wäre aber günstiger gewesen!
Man könnte zwar Kosten sparen und hätte etwas mehr Marge, aber am Schluss muss man die Entwickler möglichst nahe bei sich haben, man muss zusammenkommen können und die gleiche Sprache sprechen. Wir haben dafür einen super Partner, mit dem das sehr gut klappt. Und was die Marge angeht: wir sind ein Familienunternehmen und müssen nicht jedes Quartal am Umsatz feilen, um die Shareholder glücklich zu stellen. Der Return on Investment durfte auch etwas später kommen. Anders hätte es gar nicht geklappt.
«safely ist keine Raketenwissenschaft, aber solche Digitalisierungsschritte dauern in Schweizer Unternehmen einfach länger.»
Wie lief die Entwicklung ab der Projektlancierung im Jahr 2017 bis zur Marktreife im Jahr 2018?
Wir hatten von Anfang an Kunden, die uns zusicherten, die App zu nutzen. Sie nahmen wir auf den Weg der Entwicklung mit, machten Tests mit ihnen und es floss viel Kundenfeedback ein. Es sollte eine praxisorientierte Software sein, die man draussen einfach und schnell nutzen kann, es durfte keine irrelevante Frage zu viel gestellt werden. Man muss sich darin bewegen können, selbst wenn man die App nur alle paar Wochen braucht, sonst nutzt man sie nicht mehr. Einfachheit und Verständlichkeit waren unsere grössten Ziele und in diesen Fragen konnten uns die Testkunden sehr gut unterstützen, sie beurteilten die App sehr praxisnah.
Wie hat sich die Applikation seit der Lancierung verändert?
Wir haben sie stetig weiterentwickelt. Es kamen neue Module und Funktionen hinzu, beispielsweise die Module Instandhaltung und die QR-Codes für Meldungen. Heute kann man Checklisten als Daueraufträge erfassen, im Instandhaltungsmodul lassen sich Kontrolllisten mit Prüfungen verbinden und die Kreise schliessen sich stetig. Waren die Module am Anfang noch Insellösungen, sind sie heute stark zusammengewachsen, kommunizieren untereinander und sind ausgereifter.
«Einfachheit und Verständlichkeit waren unsere grössten Ziele.»
Fliesst noch immer Kundenfeedback ein?
Es floss und fliesst laufend Kundenfeedback ein und wir reagieren auf diese Bedürfnisse und Veränderungen am Markt: Schnittstellenanbindungen, Single-Sign-On, Komfort – wo es Bedürfnisse gibt, geben wir Antworten darauf. Wenn eine Funktion mehreren Kunden einen Mehrwert bieten kann, setzen wir das um.
Wie entwickelte sich der Kreis der Kundschaft seit 2018?
Es waren schon früh grössere Unternehmen dabei, beispielsweise Valora, McDonald’s, Hornbach oder der Verband aqua suisse. Bald kamen weitere hinzu, unter anderem die Stadt Zürich, die SRG, verschiedene Hochschulen oder die Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL). Wir erreichen heute rund 15’000 Firmenstandorte und eine sechststellige Nutzerzahl. Und: Wir haben noch nie einen Kunden verloren. Das spricht sicher auch für die Qualität und Anwenderfreundlichkeit von safely.
«Das war nicht nach dem Motto ‘Let’s try’, dafür war es finanziell eine zu grosse Angelegenheit. Es war eher nach dem Motto ‘Alles oder nichts’.»
Gibt es denn überhaupt noch Potenzial?
Das Potenzial ist noch gross. Wenn ich sehe, wie schnell China oder die USA in Sachen Digitalisierung davonziehen und wie lange wir in der Schweiz teilweise dafür brauchen, ist das schon erstaunlich. safely ist keine Raketenwissenschaft, aber solche Digitalisierungsschritte dauern in Schweizer Unternehmen einfach länger. Manche Sicherheitsbeauftragte würden safely gerne sofort nutzen, müssen aber intern viel Überzeugungsarbeit leisten, um das Produkt einzuführen. In anderen Unternehmen dürfen die Mitarbeitenden ihre Handys gar nicht geschäftlich nutzen, was einen wesentlichen Mehrwert von safely verunmöglicht. Hoffen wir, dass in dieser Hinsicht einige Unternehmen offener gegenüber der digitalen Welt werden.
Haben Sie Ihre Ziele, die Sie sich vor fünf Jahren gesteckt haben, heute erreicht?
Wir hatten damals tatsächlich einen Fünfjahresplan. Wir wollten die Software zum Kerngeschäft machen und damit Marktführer werden. Beides haben wir erreicht.
Und wie sehen die Ziele für die nächsten fünf Jahre aus?
Wir möchten die Marktführerschaft ausbauen. Schon heute ist safely in der Branche ein Begriff, auch viele Arbeitsinspektoren kennen die App. Wenn Sicherheitsbeauftragte die Firma wechseln, nehmen sie die Erfahrungen mit und führen die App im neuen Unternehmen auch ein. In fünf Jahren sind wir noch besser bekannt und safely ist ein fester Begriff in der Schweizer Arbeitssicherheitsbranche.
Lesen Sie auch: Wie ein KMU mit einer digitalen ASA-Lösung arbeitet