Ein Kind. Der Partner. Oder die Eltern. Wenn Angehörige besondere Pflege benötigen, ist es besonders schön, wenn Nahestehende diese Aufgabe übernehmen können. Für sie ist das aber auch besonders herausfordernd – auch dann, wenn sie in einem medizinischen Notfall Erste Hilfe leisten müssen.
Maria Aru pflegt ihren Vater zu Hause und musste dabei auch schon Erste Hilfe leisten – allerdings ihrer Mutter. «Sie hatte einen Schlaganfall», erzählt Maria Aru. «Ich war mir gewohnt, dass sie sich immer etwas schlecht fühlte. Ich wusste, dass ich sofort die Notrufnummer 144 anrufen muss. Ich sprach immer mit meiner Mutter und hielt sie wach. Und ich wusste auch, welche Medikamente ich vorbereiten muss und dem Rettungsdienst mitgeben kann.»
Maria Aru war gut vorbereitet. Sie interessiert sich sehr für Erste Hilfe. «Im Alltag kann alles passieren, vom Verschlucken über einen Schlaganfall bis zur Bewusstlosigkeit», sagt sie. «Das Erste-Hilfe-Wissen kann man für die Angehörigen brauchen, aber auch auf der Strasse oder wenn man sonst irgendwo ist. Es ist immer gut, dieses Wissen aufzufrischen.»
Individuelle Ausbildungen für individuelle Aufgaben
Maria Aru ist bei der solicare AG angestellt, einer Spitex-Organisation, die pflegende Angehörige anstellt und ausbildet. «Wir sind die einzige gemeinnützige Fachspitex für pflegende Angehörige», sagt Romina Hauser, Mitglied der Geschäftsleitung von solicare und dort Leiterin der Entwicklungs- und Innovationsabteilung. «Wir stellen Angehörige an, welche die ihnen nahestehenden Menschen zu Hause pflegen. Dafür bieten wir fachliche Unterstützung und finanzielle Entschädigung.»
Zu dieser Unterstützung zählen Beratungen, beispielsweise juristischer Art, aber auch Ausbildungen. «Was viele nicht wissen: pflegende Angehörige können und wissen schon viel, weil sie oft in diese Aufgaben hineingewachsen sind», sagt Romina Hauser. «Welche Aufgaben das sind, unterscheidet sich jedoch stark – manche pflegen einen Menschen mit Demenz, andere vielleicht jemanden nach einem Schlaganfall.»
solicare schaut jeden einzelnen Fall individuell an und schneidert den jeweiligen Angehörigen die passenden und nötigen Ausbildungen mass. «Das Ziel ist ein sehr individueller Plan», sagt Romina Hauser. «Diese Menschen leisten ohnehin schon eine grosse Arbeit, die auch sehr belastend sein kann. Wir wollen sie nicht noch mit Dingen belasten, die gar nicht sein müssten. Einerseits können sie uns sagen, was sie noch brauchen, andererseits sagen wir ihnen aber auch, wo sie sich aus unserer Sicht noch weiterentwickeln könnten.»
Erste Hilfe Kurs für pflegende Angehörige
Einen wichtigen Teil in diesen Ausbildungen spielt die Erste Hilfe. «Vor allem ist es wichtig, dass wir diese Themen als Arbeitgeber mit den pflegenden Angehörigen anschauen, dass sie einen Kurs besuchen und sich für solche Situationen wappnen können», sagt Romina Hauser. «Sie sollen erkennen, wann es gefährlich werden kann, und Unterstützung holen.»
Die möglichen Notfallszenarien seien aber wieder genauso individuell wie die Pflegesituationen. «Wir versuchten, die häufigsten Szenarien in einen Kurs zu packen», sagt Romina Hauser. «Es ist schwierig, die Balance zu finden zwischen der Ersten Hilfe durch Laien und solche durch Profis – bei pflegenden Angehörigen ist das nämlich meistens ein Mischbild. Sie sollen vor allem auch lernen, dass sie nicht alles selbst stemmen müssen, sondern sie sollen ein Problem erkennen, wissen wie sie dann funktionieren können und die Notrufnummer 144 wählen.»
Die starke emotionale Verbundenheit
Die Kursinhalte erarbeitete solicare zusammen mit der notfallTraining schweiz GmbH. Dabei ging es vor allem auch darum zu definieren, welche Themen auf welchem Niveau vermittelt werden sollten. «Wir hatten hier die besten Ansprechpartner, weil das Unternehmen sowohl Laien als auch Profis ausbildet», sagt Romina Hauser. «Der Austausch war sehr gut, machte Spass und das Programm war relativ schnell geboren.»
Franziska Brunner, dipl. Rettungssanitäterin HF und Ausbilderin bei notfallTraining schweiz GmbH, leitete im November 2024 einen solchen Kurs in Olten. Ihr fiel vor allem auf: «Diese Menschen haben eine starke emotionale Verbundenheit zu ihren Angehörigen. Das ist bestimmt ein riesiger Unterschied zu solchen Erste-Hilfe-Kursen für Betriebssanitäter oder Rettungssanitäter, welche an keinen konkreten Menschen denken, wenn sie einen Kurs besuchen und an einem Fallbeispiel arbeiten.»
So gäbe es auch Themen, die bei den Teilnehmenden besonders viel Respekt auslösten. «Das Verschlucken, beispielsweise», sagt Franziska Brunner. «Das Heimlich-Manöver wollten alle anschauen, ob sie nun Kinder, Partner oder Eltern pflegen.» Aus ihrer Sicht ist vor allem wichtig: «Sie sollen sich vorgängig überlegen, was passieren könnte und was sie dann machen – zum Beispiel, dass sie frühzeitig Unterstützung holen und neben dem Alarmieren allenfalls auch Nachbarn beiziehen können.»
Maria Aru besuchte den Kurs im November in Olten und sagt, sie fühle sich nun wieder etwas sicherer. «Einiges wusste ich schon, aber Auffrischung ist immer gut», sagt sie. «Die Teilnehmenden erzählen von ihren Erfahrungen, daraus kann man immer lernen – und natürlich auch von der Fachreferentin, mit der man Kleinigkeiten anschauen und besprechen kann. Ich lerne gerne Neues. In Notfallsituationen ist man oft allein, dann ist das Wissen schon wichtig – auch wenn bis dann die Praxiserfahrung fehlt.»
In Zusammenarbeit mit notfallTraining schweiz GmbH.