Biken, joggen, wandern, spazieren, langlaufen – draussen sein tut gut, ausser es passiert etwas. Dann stehen auch Ersthelfer:innen vor Herausforderungen. Ihnen fehlt Erste-Hilfe-Material, die Umweltbedingungen sind garstig, sie suchen ein Handy oder Handy-Empfang, um zu alarmieren, und es kann sehr lange dauern, bis zusätzliche Hilfe vor Ort ist. Der Kurs «Erste Hilfe fernab der Zivilisation» der SanArena Rettungsschule nahm sich diesen Herausforderungen an.
In Betriebssanitäten und in der organisierten Ersten Hilfe spricht man oft von den ersten 15 Minuten, die Ersthelfer:innen überbrücken müssen. In einem Betrieb und in der Zivilisation genügt das auch meistens, um die wichtigsten Massnahmen zu treffen, bis professionelle Rettungskräfte vor Ort sind.
Fernab der Zivilisation geht es häufig um deutlich mehr Zeit, in denen Erste Hilfe geleistet und Patienten betreut und versorgt oder geborgen werden müssen. Hannes Küttel weiss das aus eigener Erfahrung: «Ich war einmal in Alaska auf einem Gletscher unterwegs, als eine Frau einen Notfall hatte», erzählt er. «Letztlich stellte es sich bloss als schwere Migräne heraus, es hätte den Symptomen nach aber auch ein Schlaganfall sein können. Ich durfte bei der Bergung mitarbeiten. Wir waren rund 20 Leute, die es auch alle brauchte, um die Frau vom Gletscher zu bringen, bis zu einem kleinen Flugplatz, wo sie abgeholt werden konnte. Das alles dauerte Stunden.»
Blitz und Donner, Hitze und Kälte
Abseits der Zivilisation heisst nicht zwingend, dass man in Alaska oder sonst irgendwo in der Wildnis ist. Das kann auch eine Ortschaft sein, die durch ein Umweltereignis von der Umgebung abgeschnitten ist. Dann ist man sofort auf sich allein gestellt und es braucht mehr Zeit, bis eine Ambulanz auf dem Platz steht. «Zu wissen, wie man diese Zeit überbrücken kann, ist sicher nicht verkehrt», sagt Hannes Küttel.
Genau deshalb leitete er auch den ersten Kurs «Erste Hilfe fernab der Zivilisation» der SanArena Rettungsschule. Hier lernen die Teilnehmenden, wie sie in solchen Situationen bestmöglich helfen können. Und diese Situationen können schwierig sein. Zum Beispiel aufgrund des Wetters: «Umwelteinflüsse sind entscheidend, wenn man draussen unterwegs ist», sagt Hannes Küttel. «Unterkühlung, Überhitzung, Unwetter, das sind sicher die Dinge, auf die man fokussieren muss. Es ist ausserdem wichtig, präventiv zu arbeiten. Bei einer Unterkühlung oder Überhitzung ist es viel einfacher, wenn man früh Massnahmen ergreifen kann, als wenn sie schon weit fortgeschritten sind.»
Alarmierung fernab der Zivilisation
Was sich ausserdem schwierig gestalten kann, ist die Alarmierung, eigentlich die erste Erste-Hilfe-Massnahme überhaupt. Handy-Empfang gibt es nicht zwingend in jeder hintersten Ecke der Wildnis. Ist man in einer Gruppe unterwegs, kann man jemanden losschicken, um Empfang zu finden und zu alarmieren. «Ausserdem gibt es Geräte, die über Satelliten funktionieren, es gibt den Rega-Funk oder den Notfallkanal, über die man Funksprüche abgeben kann, auch wenn es keinen Handy-Empfang gibt», sagt Hannes Küttel. «Auch analoge Varianten sind möglich, akustisch mit einer Pfeife oder visuell mit einer Lampe, mit der man leuchtet, da ist etwas Kreativität angebracht.»
Natürlich bleibt es wichtig, Patienten nicht allein zu lassen. «Aber wenn man als Ersthelfer:in allein ist und keinen Handy-Empfang hat, muss man irgendwann entscheiden, was dringender ist – muss man den Patienten weiterbetreuen, oder muss die Rettungskette nun in Gang gesetzt werden? Dann muss man den Patienten ein paar Minuten allein lassen, um einen Notruf absetzen zu können», sagt Küttel.
Kreativität rund um das Erste Hilfe Material
Nein, auch er hat kein Erste-Hilfe-Set dabei, wenn er joggen geht. Der Platz, das Gewicht, die Grösse, all diese Faktoren sind entscheidend, weshalb es bei Notfällen fernab der Zivilisation an Erste-Hilfe-Material fehlt. Das braucht es aber auch nicht immer. Wichtig sei irgendein Mittel, um zu alarmieren – oder wenigstens das Wissen, wo man alarmieren könnte. «Ansonsten kann man viel improvisieren», sagt Hannes Küttel. «Eine Blutung kann man mit einem T-Shirt stillen, es braucht nicht immer die vorgefertigten Materialien. Kreativität und das Nutzen des Vorhandenen sind sicher wichtige Elemente der Ersten Hilfe fernab der Zivilisation.»
Um kreativ werden zu können hilft es, das Original und dessen Anwendung zu kennen. Und will man beim Wandern doch etwas Material dabeihaben, empfiehlt Hannes Küttel vor allem etwas zum Trauma-Management, also Verbände und eventuell Desinfektionsmittel. «Die Philosophien gehen da weit auseinander, das ist bloss meine Meinung», sagt er. «Daneben geht es dann schnell auch ins persönliche, sprich: jeder soll so ausgerüstet sein, dass er sich selbst versorgen kann. Blasenpflaster, eine Pinzette, eine Rettungsdecke, etwas in diesem Stil. Und man sollte auch den Selbstschutz nicht vergessen – also vielleicht ein Paar Handschuhe einpacken.»
Selbstschutz und Ausdauer
Zwar spüre man in solchen Situationen die Anstrengung weniger, sagt Hannes Küttel. «Aber irgendwann kommt die Erschöpfung und es ist wichtig zu erkennen, ob man selbst in eine Unterzuckerung oder Unterkühlung gerät. Der Selbstschutz ist ganz wesentlich.»
Natürlich gäbe es Problematiken, die man als Ersthelfer:in nicht über längere Zeit stabilisieren könne, weil das Material oder das Wissen fehlen oder weil es um eine schwere und akut lebensbedrohliche Situation geht. «Da sind den Ersthelfer:innen die Hände zu einem gewissen Grad gebunden», sagt Hannes Küttel. «Aber ob es dann 30 Minuten oder drei Stunden sind, die man überbrückt, ist nicht so entscheidend. Viel wichtiger sind die Umwelteinflüsse. Man muss die Patienten und sich selbst vor Hitze oder Kälte, vor weiteren Verletzungen, vor Abstürzen oder Abrutschen schützen und sie in Sicherheit bringen. Vielleicht gibt es eine Hütte oder einen Unterstand in der Nähe. Dann kann man das auch ein paar Stunden oder im dümmsten Fall sogar ein paar Tage überstehen.»
Erste Hilfe fernab der Zivilisation: Take Home Messages
Die Hauptmessage ist für ihn – wie in jedem Erste-Hilfe-Kurs – die eigene Sicherheit. «Vor allem draussen ist das nochmals entscheidender, hier lauern verschiedenste Gefahren», sagt Hannes Küttel. «Häufig sind die Menschen auch genau deshalb verletzt oder verunfallt, weil sie in einer Gefahrensituation waren. Die zweite wichtige Message ist die Kreativität: Nimm das Material, das Du dabeihast, schau es Dir an und überlege Dir, was Du daraus machen kannst. Und: Man kann Patienten auch mit kleinen Dingen viel Gutes tun!»
In Zusammenarbeit mit SanArena Rettungsschule