Alle Welt spricht von Nachhaltigkeit. Manche machen es. Und das nicht unbedingt in Bereichen, von denen man denken würde, dass sie noch viel nachhaltiger werden könnten. Wir sprachen mit Lea Kullmann und Stefan Rechsteiner von dormakaba darüber, was rund um Türen und Zutrittslösungen noch nachhaltiger werden kann – und wie und weshalb das Unternehmen diesen Weg beschreitet.
Ganze 30 ESG-Ziele hat sich dormakaba gesetzt. Das sind eine Menge Ziele, manche Unternehmen haben gar keine, andere bloss eine Handvoll. Unter ESG sind die Begriffe Environmental, Social und Governance zusammengefasst, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Grundsätzlich gehen all diese Themen auf die Nachhaltigkeit ein und alle sind irgendwie miteinander verknüpft.
dormakaba will Nachhaltigkeits-Themen aus dem ungefähren und strategischen Umfeld lösen und sie bis zu den Kunden herunterbrechen. Dabei geht es natürlich auch um die Produkte selbst. «Wir schauen immer auf den gesamten Lebenszyklus von Produkten», sagt Lea Kullmann (Lead Product Sustainability Center of Excellence, CoE). «Wir bieten von Schlössern bis zu vollautomatischen Schiebetrennwänden vieles an. Was wir im Bereich Nachhaltigkeit machen, soll für alle Produkte gelten. Das kann eine Herausforderung sein.»
Wo liegen die Hebel, um ein Produkt nachhaltiger zu gestalten?
- Materialauswahl: dormakaba macht Vorgaben, welche Materialien in der Entwicklung eingesetzt werden müssen, beispielsweise hohe Recyclinganteile. Das Unternehmen fragt bei den Lieferanten nach, welche Vorgaben sie erfüllen können, und vergleicht, ob beispielsweise Aluminium oder Stahl in Sachen CO2 besser abschneiden. In dieser Phase gibt es bereits grosse Hebel, um ein Produkt nachhaltiger zu gestalten.
- Design: Die Entwickler sollen die Produkte so entwickeln, dass sie beispielsweise am Ende des Lebenszyklus einfach trennbar und leicht recyclebar sind, dass die Produkte langlebig sind und dass einzelne Komponenten ausgetauscht werden können. «Heute sind viele Produkte stark digitalisiert und entwickeln sich schnell weiter. Es kann aber nicht sein, dass ein ganzes Produkt entsorgt wird, nur weil eine Komponente veraltet oder ein einziges Teil davon kaputt ist» sagt Lea Kullmann.
- Produktion: Hier will dormakaba Einfluss nehmen, wo ein Produkt hergestellt wird, ob Standards für Menschenrechte eingehalten werden oder ob Ökostrom benutzt wird.
- Distribution: Wo gehen die Produkte hin und wie werden sie transportiert? Wie werden sie gebündelt, um Verpackungsmaterial zu reduzieren?
- Nutzung: An diesem Punkt geht es zu einem grossen Teil um Energieeffizienz. Wie viel Energie verbraucht das Produkt und wie könnte man das effizienter gestalten?
- Lebensende: «Wie erwähnt wollen wir Produkte so entwickeln, dass man sie reparieren oder wenigstens das Material recyclen kann», sagt Lea Kullmann. «Auch die Themen Leasing oder Take-Back-Programme kommen hier ins Spiel.»
«Das nur in die Strategie zu schreiben, ist Quatsch. Es muss messbar gemacht werden»
Wo steht das Unternehmen heute?
«Wir sind auf einer Reise», sagt Lea Kullmann. «Es ist ein Thema, das kontinuierlich neue Anforderungen aufdeckt. Wir haben klein angefangen, indem wir Transparenz schafften, zum Beispiel mit einem Nachhaltigkeitsbericht oder mit Produktdeklarationen (Environmental Product Declarations, EPD) für Kunden, in denen wir unseren ökologischen Fussabdruck darstellten. Schritt für Schritt haben wir das Thema dann immer mehr ganzheitlich angeschaut: Wo können wir positiv Einfluss nehmen? Wir sehen immer mehr Möglichkeiten. Wir beginnen mit einem Thema und entdecken weitere. So versuchen wir, jedem entdeckten Aspekt Rechnung zu tragen.»
Für diese Reise hat sich dormakaba entsprechend aufgestellt. Einerseits wurden zwei Abteilungen geschaffen, eine für die Strategie und das Reporting auf Gruppenebene und eine zweite, die sich um die Produktnachhaltigkeit kümmert. Hier sitzt Lea Kullmann am Steuer. Sie ist in der Produktentwicklung global für das Thema Nachhaltigkeit zuständig.
Andererseits hat dormakaba ein Netzwerk etabliert und unterschiedliche Expertengruppen gegründet – solche für nachhaltige Produkte, für Lieferanten, für HR und für Operations. Jede Gruppe verfolgt gewisse dieser 30 ESG-Ziele. So hält sich der Aufwand für jeden einzelnen relativ gering. Es gibt beispielsweise fünf zentrale ESG-Ziele (CO2-Reduktion, Produktdeklaration, Diversität, Reduzierung der Unfallrate und Bewertung von High-Risk-Suppliers) sowie zehn wesentliche Themen (Material Topics), die auch in der Strategie formuliert sind.
«Aber das nur in die Strategie zu schreiben, ist Quatsch», sagt Lea Kullmann. «Es muss messbar gemacht werden. Man muss sich realistische Ziele setzen und die Strategie jedes Geschäftsjahr mit neuen Initiativen füttern, damit die gesetzten Ziele erreicht werden können.»
Partner, Lieferanten, Kunden: Gibt es Grenzen der Einflussnahme?
dormakaba versucht, Partner, Lieferanten, Kunden und Händler zu involvieren. «Wir können fast überall Einfluss nehmen», sagt Lea Kullmann. «An der einen oder anderen Stelle ist uns das allenfalls noch nicht bewusst. Ein Beispiel ist das Tracking von mechanischen Produkten. Da wir unterschiedliche Vertriebswege haben, kann es sein, dass beispielsweise ein Händler den mechanischen Türschliesser an einen Installateur verkauft. dormakaba weiss dann derzeit nicht, in welchem Gebäude der Türschliesser eingebaut ist. So wird ein Take-Back-Programm schwierig.»
«Wir müssen deshalb mit den Partnern zusammenarbeiten, damit wir die Produkte zurückerhalten können. Bei den mechanischen Schliessanlagen (Schlüssel) ist es so, dass uns viele Partner und Kunden die Schlüssel bereits heute zur Vernichtung und damit zum Recycling schicken. Doch der Trend geht immer mehr in Richtung Digitalisierung, was neue Möglichkeiten eröffnet.»
Für Lieferanten gibt es indes klare Verpflichtungen. Es wurden Ziele im Rahmen der Lieferantenentwicklung gesetzt und dormakaba ist selbst von der ESG-Ratings Agentur EcoVadis bewertet. Genauso verlangt es das Unternehmen von seinen Lieferanten. Entweder haben sie schon eine EcoVadis-Scorecard oder dormakaba bietet den Lieferanten eine Möglichkeit, eine solche Scorecard zu erstellen. Für Kunden gibt es wiederum massgeschneiderte Beratungen zur energie-effizientesten Lösungen.
«In der Schweiz gibt es zudem die Hebel Schulung und kurze Lieferwege», ergänzt Stefan Rechsteiner, Senior Manager Doorsystems and Solutions bei dormakaba Schweiz AG. «Wir vertreiben hier die Produkte indirekt über zertifizierte Partner. So können wir Partner beispielsweise rund um die Qualität im Umgang mit Produkten schulen, was zur Langlebigkeit der Produkte beiträgt. Und die Tatsache, dass dormakaba hier lokal produziert, unterstützt viele Ziele in Sachen Nachhaltigkeit, unter anderem durch die kurzen Lieferwege.»
Intrinsische Motivation oder Druck von aussen?
Der Markt fordere zwar Nachhaltigkeits-Massnahmen, sagt Lea Kullmann. Aber sie betont: «dormakaba macht deutlich mehr, als von den Kunden gefordert wird. Kunden wollen Produktdeklarationen für Gebäudezertifizierungssysteme. Investoren wollen die CO2-Werte auf Unternehmensebene und einen Nachhaltigkeitsbericht. Das reicht uns aber nicht. Immer nur ein Stück des Kuchens anzuschauen, ist verkehrt. Wenn wir nur das machen würden, wären wir mit unserer Arbeit schnell fertig.»
Zwar seien die Forderungen der Kunden heute noch oft unspezifisch, gleichwohl ändere sich die reine Checklisten-Mentalität und Forderung nach einer Dokumentation hin zur tatsächlichen Nutzung der Inhalte solcher Dokumentationen. Von der Vorgabe, grüner zu werden, geht die Reise hin zu detaillierten Themen, was das denn genau heisst.
dormakaba scheint diesbezüglich ein paar Schritte voraus und mit Zielen, Produkten und Tools bereit zu sein. Tools wie beispielsweise der ‘Door Efficiency Calculator’: Er wurde mit einer Expertengruppe entwickelt, weil es dem Unternehmen zu wenig war, nur die Produkte energieeffizienter zu gestalten. Es wollte auch aufzeigen können, wie die Themen Energieeffizienz, CO2 und Kosten miteinander interagieren.
«Verschiedene Türlösungen können mit dem Tool gegenübergestellt werden», sagt Lea Kullmann. «Man gibt Parameter ein, beispielsweise wo gebaut und was gebaut wird, und der Door Efficiency Calculator ermöglicht einen Vergleich und eine Empfehlung, welches Produkt für die jeweilige Situation die beste Lösung ist. Dann kann beispielsweise eine Karusselltür zwar eine hohe Anfangsinvestition bedeuten, doch über den Lebenszyklus werden derart viel Energie und CO2 eingespart, dass sich diese Investitionen lohnen.»
«Immer nur ein Stück des Kuchens anzuschauen, ist verkehrt.»
Sind Sicherheit und Nachhaltigkeit Zielkonflikte?
«Es kommt darauf an», sagt Lea Kullmann. «Eine Feststellanlage an einer Brandschutztür muss permanent unter Strom stehen, damit die Tür geschlossen wird, falls ein Feuer ausbricht. Wir müssen uns also überlegen, wie wir die Feststellanlagen so effizient gestalten, dass sie trotz gewährleistetem Dauerbetrieb wenig Energie verbrauchen.» Innovative Sensortechnologie helfe zudem, eine Türlösung so effizient wie nur möglich zu gestalten, damit Sicherheit gewährleistet und gleichzeitig Nachhaltigkeit ermöglicht wird.
«An der ein oder anderen Stelle gibt es zwar noch Optimierungspotenzial, aber Sicherheit und Nachhaltigkeit sind absolut kein Widerspruch in sich», sagt Lea Kullmann.
Auch rund um das Servicekonzept geht dormakaba deshalb vermehrt neue Wege. «Wir sind immer vernetzter, auch die Produkte sind immer mehr vernetzt», sagt Stefan Rechsteiner. «Wenn wir mit den daraus generierten Daten etwas anstellen können, kann das der Nachhaltigkeit nutzen. IoT braucht zwar Energie, aber wenn wir dadurch Service on demand oder Fernüberwachung und Fernwartung ermöglichen können, sparen wir unnötige Fahrten und Anfahrtswege.»
Wohin geht die Reise?
Manche ESG-Themen verfolgt das Unternehmen schon lange, andere kommen neu hinzu. Diversität und Inklusion beispielsweise floss erst im Jahr 2021 in die Strategie ein. «Hier müssen wir erst einmal den Prozess etablieren», sagt Lea Kullmann. «Rund um Ziele wie CO2 oder Produktdeklarationen sind wir schon viel weiter, der Prozess ist etabliert und wir haben ganz konkrete Zahlen, mit den wir arbeiten können.»
Sollten die 30 gesetzten ESG-Ziele wie vorgesehen bis ins Jahr 2027 erreicht werden – und dafür sei das Unternehmen auf einem guten Weg – dann beginne der Prozess von vorne: «Eine interne und externe Stakeholderbefragung und eine Analyse, wo wir Einfluss nehmen können und welche neuen Themen wir identifizieren, werden neue Ziele ins Spiel bringen», sagt Lea Kullmann. «Wir werden schauen, was trotz der erreichten 30 Ziele noch fehlt und darauf basierend eine neue Strategie erstellen. Aber es ändert sich viel, Trends wie die Kreislaufwirtschaft fehlten in der letzten Strategie noch und sind nun neu drin. Wir müssen uns natürlich auch fragen, was der Markt fordert. Man kann jetzt noch gar nicht absehen, welche weiteren Ziele wir uns dann setzen werden.»