Die Wirkung von Investitionen in das Notfallmanagement lassen sich nach einem Ereignis deutlich messen. Die Investitionen in die Prävention sind jedoch kaum messbar – denn sie verhindern, dass es überhaupt zu einem Ereignis kommt. Messbar oder nicht, welche Investitionen sind nun also wichtiger?
In einem Notfallmanagement-Konzept gibt es verschiedene Phasen bei der Erstellung, von der Analyse und der Standortbestimmung über den Sicherheitsrundgang bis hin zum Freihalten von Fluchtwegen. Das Konzept baut man auf vorgegebenen Standards auf, die man individuell anpasst, einführt, schult und beübt. Es resultiert ein Protokoll, eine saubere Auswertung, ein Bericht mit den aufgedeckten Schwachstellen für eine Massnahmenplanung. Wer ein Konzept ausarbeitet und Ablaufpläne erstellt, kreiert verschiedene Szenarien.
Notfall managen oder verhindern?
Man erstellt einen solchen Ablaufplan also nur, weil festgestellt wurde, dass ein Ereignis eintreten könnte. Die Wirkung eines Notfallmanagements kann im Ereignisfall zwar gut sein, doch ist dann bereits etwas passiert und es geht nur noch um die Schadenreduktion und um die Ereignisbewältigung. Natürlich gibt es dabei eine grosse Schere, sowohl was den Kostenfaktor als auch das menschliche Leid betrifft. Vom kleinen Ereignis bis über eine Verkettung von Folgevorfällen und dem Verlust ganzer Produktionsgebäude ist alles denkbar. Doch ob das Ereignis nun gross oder klein ist – wenn gar nichts passiert, ist die Wirkung viel grösser.
Ein Beispiel: man hat erkannt, dass eine Maschine gefährlich ist, weil sie schnell überhitzt und ein brennbares Medium benötigt. Sie kann also zu brennen beginnen. Nun braucht der Betrieb ein Evakuationskonzept, er braucht eine Betriebsgruppe, die eingreifen und löschen kann, er braucht eine Brandmeldeanlage und vieles mehr. Das braucht er, um ab dem Zeitpunkt eines Ereignisses zu wissen, wie man es bewältigt. Doch die Tatsache, dass die Maschine brennen kann, diesen Punkt löst das Notfallmanagement nicht. Diese Frage gehen wir mit dem klassischen STOP-Prinzip an: Substitution (Ersatz), technische, organisatorische, personenbezogene Massnahmen. Das heisst, wir schaffen eine andere Maschine (weniger gefährlicher Arbeitsprozess) an oder wir verwenden ein anderes, nicht brennbares Medium (Substitution). Wir kühlen den Motor, warten die Maschine präventiv (technische Massnahmen). Wir stellen die Maschinen weiter auseinander, schaffen einen eigenen Brandabschnitt (technische/organisatorische Massnahmen). So reduzieren wir die Wahrscheinlichkeit oder das Potenzial eines Ereignisses. Durch diese präventiven Massnahmen verändert sich aber wiederum das Szenario, das wir uns ausdachten. Wenn die Maschine in einem separaten Brandabschnitt steht, kann sie weitere Maschinen nicht in ihrer Produktion beeinflussen, wovon wir davor noch ausgegangen sind. Also müssen wir das Szenario wieder neu beurteilen. Wir denken es erneut in Richtung Notfallmanagement und treffen weitere Massnahmen – beispielsweise installieren wir ein Früherkennungssystem, das schneller warnt als eine herkömmliche Brandmeldeanlage, oder wir bringen Sprinkler oder eine CO2-Löschanlage an. Und schon wieder verändert sich die Ausgangslage.
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Notfallmanagement und Prävention (Gefährdungsermittlung) sollten also Hand in Hand gehen oder Gedanke um Gedanke betrachtet werden. Das Problem: Das eine lässt sich darstellen, das andere nicht. Der Geschäftsleitung nach einem Ereignis aufzuzeigen, dass ein funktionierendes Notfallmanagement wichtig war und eine Wirkung hatte, das ist einfach. Eine funktionierende Prävention aufzubauen und deren Wirkung zu beweisen, das jedoch ist schwierig. Es passiert ja nichts, also braucht es auch nichts. Oder? Hat man einen Geschäftsführer oder Bauherrn, der genau damit argumentiert, wird ein professionelles Notfallmanagement zur Hürde. Man muss gewillt sein, die Gefährdungen zu lösen, nicht sie zu bewältigen. Der Sicherheitsbeauftragte (SiBe) braucht deshalb auch sehr viel verkäuferisches Flair. Wartung oder Ersatz einer Maschine sind schliesslich auch Fragen der Unternehmensphilosophie. Hier zeigen sich starke Parallelen zwischen dem Facility Management, der Instandhaltung und dem Sicherheitsbeauftragten. Wer aufzeigen kann, was ein Totalausfall der Produktion für das Unternehmen bedeutet und wie gering die Kosten für eine vorsorgliche Massnahme in diesem Vergleich sind, stösst meistens auf Gehör. Das gilt genauso für das Bewältigen oder Verhindern eines Notfalls. Zudem muss man auch immer Folgegefahren eines Ereignisses im Griff haben, für Brandabschnitte sind Wartung und Instandhaltung gefragt, die Brandschutztüren müssen richtig eingestellt sein, die Dichtung muss passen, es braucht eine Funktionskontrolle, einen Servicevertrag und Dokumentationen dazu. Mit allen Akteuren – FM, Instandhaltung, SiBe, aber auch mit Architekten und Kreativ-Abteilungen – ist eine langfristige Planung und eine frühe Zusammenarbeit wichtig. Die Querschnittsfunktionen müssen wahrgenommen werden, um erfolgreich zu sein. Jeder, der einen Alleingang macht, schadet dem Betrieb.
Risikoanalyse und Risikoakzeptanz
In Sachen Wahrscheinlichkeit und Potenzial eines Ereignisses geschieht nicht nur in der Argumentation, sondern schon im Laufe der Risikoanalyse häufig derselbe Fehler: man beeinflusst die Wahrscheinlichkeit und nicht das Schadenausmass. Die meisten Massnahmen zielen nur auf die Wahrscheinlichkeit ab. Das ist ein fragwürdiger Ansatz. Die sogenannten schwarzen Schwäne, also Ereignisse, die man nicht für möglich hält, bis sie eintreten, gibt es in Tat und Wahrheit ziemlich häufig. Zwar tritt ein einzelnes solches Ereignis nur alle hundert oder tausend Jahre ein, aber jedes Jahr erleben wir eines davon. Wenn seine Auswirkungen gross sind, ist das zu oft und zu viel. Konzentriert man sich also vermehrt auf das Schadenausmass als auf die Wahrscheinlichkeit, kann man die Energie der Auswirkungen massiv verkleinern, anstatt nur darauf zu bauen, dass es heute noch nicht so weit ist. Das ist der Königsweg. Aber das braucht etwas mehr Know-how und ist in der Ausführung meistens etwas teurer, als nur eine Regel zu erstellen. Noch besser wäre: man versucht, beide Achsen zu beeinflussen. Die Wahrscheinlichkeit auf Null zu reduzieren, geht nicht. Das Potenzial auf Null zu reduzieren, geht auch nicht. Nimmt man aber auf beide Achsen Einfluss, kann man sich in die Richtung von Null bewegen. Doch hier stellt sich auch die Frage der Risikoakzeptanz. Welche Risiken will man als Betrieb überhaupt tragen? Akzeptiert man, dass ein Vorgesetzter verurteilt wird, dass man Schadenersatz zahlen muss, dass vielleicht sogar eine Haftstrafe droht? Ist man bereit, dies gegenüber dem wirtschaftlichen Erfolg zu verantworten? Das sind moralische Fragen, die man sich als Betrieb selber stellen muss.
Fazit
Ein Notfallmanagement ist zwar eine sehr interessante Aufgabe, auch für einen Berater. Aber letztlich ist ein Notfallmanagement nichts anderes als das Ermitteln von Gefährdungen, um sie im Rahmen der Prävention zu verhindern. Denn in der Prävention holt man deutlich mehr heraus. Jeder dort investierte Franken spart zehn Franken für das Notfallmanagement. Man sollte also ein Szenario ausarbeiten, den Kreis besser noch zwei oder drei Mal weiter drehen und denken, die Möglichkeiten Substitution, Technik, Organisation prüfen und die Auswirkungen präventiv verhindern. Der Grundsatz muss lauten: es darf nicht passieren.
In Zusammenarbeit mit Roman Müller, MPS Müller Projects & Services GmbH.