Plastik- und Nanopartikel umgeben uns täglich. Wir atmen sie ein, essen sie oder nehmen sie über die Haut auf. Die Nanotechnologie gilt als eine der wichtigsten Technologien unserer heutigen Zeit. Mit dieser Technologie können Produkte verbessert werden, weshalb sie mittlerweile praktisch überall eingesetzt werden. Insbesondere in der Elektronikbranche, Pharmazie, Medizin, Kosmetik und sogar der Lebensmittelindustrie besteht grosses Interesse an der Nanotechnologie. Doch mit welchen Folgen – und sind vom Arbeitgeber bestimmte Regelungen zu beachten?
Autor: Michel Rohrer
Wie beim Asbest, einem Silikat-Mineral-Produkt mit Faserstruktur im Mikrometerbereich, handelt es sich bei den Mikro- und Nanoplastikpartikeln (kurz Mikroplastik) um chemische (Kunst-)Stoffe mit einer Grösse von 0,001 und 0,1 μm (Mikrometer oder ein millionstel Millimeter). Somit sind diese Stoffe etwa 1000 Mal kleiner als der Durchmesser eines einzelnen Haares.
Das Gefährliche an diesen Stoffen ist einerseits ihre Grösse und andererseits ihre Beschaffenheit. Sie sind chemisch äusserst stabil und (fast) unverrottbar. Gelangen sie einmal in den menschlichen Organismus – beispielsweise in die Lunge (insbesondere bei Asbest), Leber, Milz, Nieren, Knochenmark, Gehirn («Demenz») – verbleiben sie dort über viele Jahre, wahrscheinlich sogar bis ans Lebensende. Wir haben es also mit «tickenden Zeitbomben» zu tun, die manchmal erst nach Jahrzehnten ihre (gefährliche) Wirkung entfalten können.
Es ist bekannt und bewiesen, dass Asbest Krebs auslösen kann, vor allem Krebs des Rippen- und Brustfells, der Lunge und des Kehlkopfs. Bei Nanopartikeln kommen ebenfalls immer mehr Studien zu Tage, welche bestätigen, dass diese Partikel schädliche Auswirkungen auf unseren gesamten Organismus haben können. Sie verändern Zellen und lösen Entzündungs- und Immunreaktionen aus, zum Beispiel Herzmuskelentzündungen. Auch haben Untersuchungen gezeigt, dass Mikroplastikteilchen über die Nahrung den Darm beeinträchtigen können, was wiederum mit der Entstehung von Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes, Fettleibigkeit oder chronischen Lebererkrankungen in Verbindung gebracht wird.
Plastik- und Nanopartikel bereiten zunehmend Probleme
Aufgrund des vielfältigen Einsatzes von Plastik- und Nanopartikeln und aufgrund der Tatsache, dass sich diese Kleinstpartikel schon längst in unserem gesamten Umwelt- und Nahrungskreislauf befinden, wächst das Risiko für unsere Gesundheit von Jahr zu Jahr. Dies zeigt sich auch in zunehmenden «Zivilisationskrankheiten» wie Herz- und Gefässkrankheiten, Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht, Gicht, Demenz und Allergien.
Wir haben mit der ganzen technischen Entwicklung – zumindest vorerst – einen «unkontrollierbaren Giftcocktail» erschaffen, der uns zunehmend Probleme bereitet und von dem wir (noch) nicht genau wissen, wie er sich künftig in unserem Organismus auswirken wird. Damit wird hier die Hypothese vertreten, dass die Nano- und Mikroplastikpartikel das «Asbest» der Zukunft sein könnten. Hoffentlich irre ich mich!
Sind vom Arbeitgeber bestimmte gesetzliche Regelungen zu beachten?
Grundsätzlich nicht – würde die von Juristen gewählte Antwort lauten. Derzeit fehlt es an konkreten und verbindlichen gesetzlichen Schutzbestimmungen im Bereich der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes hinsichtlich des Umganges mit Plastik- und Nanopartikeln. So gibt es weder konkrete Grenzwerte noch klare Vorgaben hinsichtlich eines allfälligen Messverfahrens. Auch bezüglich des Umgangs mit Nanopartikel in den verschiedensten Bereichen, wie der Nahrungsmittel-, Kosmetik oder Medizinalindustrie, gibt es (noch) keine «nanospezifischen» Bestimmungen.
Vorderhand gilt es somit sich an die allgemeingültigen Regeln zu halten. Nach dem Gesetz «über den Schutz vor gefährlichen Stoffen» muss zuerst eine Einstufung der Gefährlichkeit vorgenommen werden. Weiter müssen die Stoffe entsprechend gekennzeichnet und verpackt werden und dürfen ohne vorgängige Zustimmung durch die Behörden überhaupt gar nicht erst in den Verkehr gebracht werden. Zudem besteht eine Informationspflicht der Abnehmer über die gesundheitsrelevanten Eigenschaften und Gefahren sowie über die erforderlichen Vorsichts- und Schutzmassnahmen. So viel zur Theorie – aber aufgepasst: eine eigentliche Deklarationspflicht oder bestimmte Grenzwerte für Nanopartikel gibt es derzeit noch nicht!
Für den Arbeitgeber gilt die generelle Pflicht, zur Verhütung von Berufsunfällen und Berufskrankheiten alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den gegebenen Verhältnissen angemessen sind. Konkret verlangt die dazugehörende Verordnung bezüglich gesundheitsgefährdender Stoffe folgendes: «Werden gesundheitsgefährdende Stoffe hergestellt, verarbeitet, verwendet, konserviert, gehandhabt oder gelagert oder können Arbeitnehmer sonst Stoffen in gesundheitsgefährdenden Konzentrationen ausgesetzt sein, so müssen die Schutzmassnahmen getroffen werden, die aufgrund der Eigenschaften dieser Stoffe notwendig sind.»
Welche Schutzmassnahmen dies konkret sind, darüber schweigen das Gesetz und derzeit auch die Wissenschaft.
Der Autor
lic. iur. Michel Rohrer ist ein ausgewiesener Spezialist für Arbeits- und Gesundheitsrecht und verfügt u.a. über eine Zusatzausbildung als Sicherheitskoordinator nach EKAS, Mail: michel.rohrer@aequitas-ag.ch, www.aequitas-kontrollen.ch.