Seit mehr als 30 Jahren existieren sie bereits – die Sicherheitsdatenblätter. Zwar bessert sich laufend die Qualität des Inhalts sowie die automatische Abgabe an die Verwender. Doch wird dieses Dokument in seiner Wichtigkeit für den betrieblichen Alltag von Vorgesetzen und Mitarbeitenden nachwievor unterschätzt. Erfahren Sie, wer welche Pflichten hat und welchen Nutzen diese Dokumente haben.
Von Ralf Mengwasser*
Das Sicherheitsdatenblatt (SDB) ist ein wichtiges Element der Kommunikation in der Lieferkette für gefährliche Stoffe und Zubereitungen. Es liefert dem beruflichen Verwender von Gefahrstoffen (z.B. Chemikalien) wichtige Informationen zur Identität des Produktes, zu auftretenden Gefährdungen, zur sicheren Handhabung und Massnahmen zur Prävention sowie im Ereignisfall.
Pflichten des Herstellers
Jedes Unternehmen, welches in der Schweiz einen Stoff oder ein Produkt, welches nach GHS (global harmonisiertes System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien) klassiert ist, herstellt, importiert und in Verkehr bringt, muss ein Sicherheitsdatenblatt gemäss der Europäischen Verordnung (EG) 1907/2006 in der Fassung VO (EU) 2015/830 erstellen. Auch für einige gemäss GHS als nicht gefährlich eingestufte Zubereitungen sind Sicherheitsdatenblätter zu erstellen, Detailinformationen sind im Merkblatt C02 unter chemsuisse.ch aufgelistet.
Vom Aufbau her unterscheiden sich Schweizer Sicherheitsdatenblätter nicht von denen der Europäischen Union. Beide enthalten 16 Abschnitte, in einigen Abschnitten sind jedoch Anpassungen nötig:
Abschnitt 1: Name, Adresse und Telefonnummer des Schweizer Inverkehrbringers mit Angabe der Notfallnummer 145 (Produkt muss zwingend beim Produkteregister Chemikalien angemeldet sein).
Abschnitt 8: Schweizerische MAK-Werte[1] sowie Spezifikation der persönlichen Schutzausrüstung, falls diese von den angegebenen abweichen.
Abschnitt 13: Angaben zur Entsorgung (VeVA[2] und LVA-Code[3]).
Abschnitt 15: Ergänzung von allfälligen relevanten Schweizer Vorschriften.
Diese Angaben können auch in einem ergänzenden Deckblatt zum Original-Sicherheitsdatenblatt gemacht werden.
Die im Sicherheitsdatenblatt enthaltenen Informationen müssen seitens des Herstellers und Importeurs stets aktuell gehalten werden. Der Inverkehrbringer hat die Pflicht, gewerbliche Kunden über Anpassungen und Änderungen unaufgefordert und kostenlos auch zwölf Monate nach dem Kauf oder Direktimport des Gefahrstoffs zu informieren. Aufgrund der Komplexität eines Sicherheitsdatenblattes muss dieses von Personen erstellt werden, welche fachliches Wissen nachweisen können.
TIPP: Ersteller von Sicherheitsdatenblättern müssen der kantonalen Fachstelle unaufgefordert die Chemikalien-Ansprechperson mitteilen.
Sprache und Arten der Übermittlung an den Kunden
Das Sicherheitsdatenblatt muss dem Kunden in einer oder, falls gewünscht, in mehreren Amtssprachen der Schweiz zur Verfügung gestellt werden. Der Kunde kann freiwillig auch Sicherheitsdatenblätter in anderen Sprachen, z. B. Englisch, akzeptieren.
Die Übermittlung erfolgt vorzugsweise digital oder aber auf Papier. Ein Versand von Sicherheitsdatenblättern auf Datenträgern oder mittels E-Mail ist dann zulässig, wenn der Empfänger damit einverstanden ist. Obwohl in der Praxis immer noch anzutreffen, ist das alleinige Bereitstellen von Sicherheitsdatenblättern auf einer Internetplattform nicht ausreichend. Dies unter anderem deswegen, weil der Hersteller nicht nachweisen kann, ob, wann und in welcher Version das aktuelle Sicherheitsdatenblatt übermittelt wurde.
Pflichten des Käufers und Anwenders
Gewerbliche Anwender von Gefahrstoffen müssen das aktuelle Sicherheitsdatenblatt aufbewahren, solange der Gefahrstoff im Unternehmen vorhanden ist. Zudem muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass die Mitarbeitenden Zugriff auf die aktuellen Sicherheitsdatenblätter haben. Dies kann je nach Abteilung z.B. digital auf Laufwerken, zentral in der Telefonzentrale oder aber in Ordnern in Papierform sein. Wichtig ist, dass den Mitarbeitenden während den Betriebszeiten der Zugriff gewährleistet ist, zum Beispiel bei einem Notfall.
TIPP: Richten Sie eine Mailadresse wie «Sicherheit@…» oder «SDB@…» ein und teilen Sie dies ihrem Lieferanten mit. So erleichtern Sie die Kommunikation und können das aktuelle Sicherheitsdatenblatt effizient im Unternehmen verwalten.
Betriebsanweisungen ergänzen Sicherheitsdatenblätter
Sicherheitsdatenblätter haben oftmals einen Umfang von bis zu 20 Seiten, solche mit Expositionsszenarien manchmal auch über 100 Seiten. Wer liest dies? Betriebsanweisungen fassen auf einer Seite die wichtigsten Informationen aus Sicherheitsdatenblättern zusammen. In der Schweiz ist das Erstellen von Betriebsanweisungen nicht verpflichtend, in anderen europäischen Ländern dagegen schon. Dies führt dazu, dass sie sich zum Teil auch in der Schweiz als Hilfsmittel etabliert haben. Sie ersetzen zwar die Sicherheitsdatenblätter nicht, liefern jedoch im Alltag, auf gut zugängliche Art, wertvolle Informationen und Verhaltensanweisungen für die Mitarbeitenden vor Ort. Mittels spezieller Software lassen sich Betriebsanweisungen einfach erstellen und in viele europäische Sprachen übersetzen.
Fazit
Sicherheitsdatenblätter sind keine «zahnlosen Papiertiger» und schon gar nicht unnütz. Haben Lieferanten (Hersteller/Importeure) und Anwender die Übergabe, die Ablage und auch den Zugriff für die Mitarbeitenden gut organisiert, so sind diese Dokumente eine wertvolle Quelle für ein sicheres Lagern und Arbeiten mit Gefahrstoffen. Sie reduzieren merklich die Wahrscheinlichkeit von Unfällen.
[1] MAK: Maximale Arbeitsplatzkonzentration
[2] VeVA: Verordnung über den Verkehr mit Abfällen
[3] LVA: Listen zum Verkehr mit Abfällen
Hinweise auf entsprechende Kurse der Swiss Safety Center Akademie:
«Gefahrstoff: Sicherheitsdatenblattmanagement und EHS»
«Chemikalien-Ansprechperson»
https://akademie.safetycenter.ch
*Autor: Ralf Mengwasser
Berater Integrale Sicherheit, Expertise Services, Umweltsicherheit, Swiss Safety Center AG.