Florence Schelling hat in ihrer Eishockeykarriere zweimal um eine Pause gebeten, weil sie sich nicht fit fühlte. Beide Male musste sie trotzdem trainieren – und verletzte sich dabei schwer. Damit solche Unfälle im Sport nicht passieren, sieht der Präsident des FC Thun, Andres Gerber, die Vereine in der Pflicht.
«Welchem Sportverein kann es nicht am Herzen liegen, die Gesundheit seiner Spielerinnen und Spieler zu schützen?» Mit dieser rhetorischen Frage eröffnete BFU-Direktor Stefan Siegrist das BFU-Forum Sport. Doch in der Realität gehen Erfolgshunger und Leistungsdruck oft auf Kosten der Gesundheit. Das musste die ehemalige Eishockeytorhüterin Florence Schelling am eigenen Leib erfahren. Sie gewann zwar WM- und Olympia-Bronze mit der Schweiz, an den Olympischen Spielen 2014 wurde sie als beste Torhüterin ausgezeichnet.
Doch für den sportlichen Erfolg musste sie sogar ihre Gesundheit riskieren. Zweimal in ihrer Karriere bat Schelling darum, mit einem Training aussetzen zu dürfen. «Ich fühlte mich nicht gut und bat den Trainer um eine Pause», erzählte sie beim BFU-Forum Sport. Das wurde ihr beide Male verwehrt. Prompt verletzte sie sich – im Training, nicht im Spiel.
Unfälle im Sport: Verbände und Vereine stehen in der Verantwortung
Fast jede zweite Verletzung in Spielsportarten wie Fussball, Eishockey oder Unihockey ist auf eine Vorschädigung des betroffenen Körperteils zurückzuführen. Die BFU empfiehlt deshalb, bei jedem Verdacht auf eine Verletzung das Spielfeld zu verlassen und die betroffene Körperstelle einem Belastungstest zu unterziehen. Damit könnten viele der jährlich 110 000 Verletzungen im Spielsport vermieden und auch die damit verbundenen Kosten von derzeit 653 Millionen Franken pro Jahr gesenkt werden.
Zudem schwächt eine verletzte Sportlerin oder verletzter Sportler das gesamte Team und gefährdet damit den sportlichen Erfolg des Vereins. Schelling fordert die Vereine auf, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich Spielerinnen und Spieler trauen zu sagen, wenn es ihnen nicht gut geht – und dass sie ernst genommen werden.
Auch der langjährige Fussballprofi und heutige Präsident des FC Thun, Andres Gerber, sieht die Vereine bei der Unfallprävention in der Pflicht: «Respekt vor dem anderen muss die Basis sein», findet Gerber. Fairplay ist tatsächlich ein entscheidender Faktor bei Spielsportarten, denn ein Grossteil der Verletzungen ist auf Körperkontakt zurückzuführen. In der Verantwortung stehen auch die Sportverbände. Nicht nur, indem sie dafür sorgen, dass geltenden Spielregeln zum Schutz der Spielenden durchgesetzt und die Missachtung sanktioniert wird.
Seit März 2023 müssen alle Sportverbände Massnahmen zur Reduktion von Unfällen umsetzen, ansonsten droht ihnen in letzter Konsequenz eine Kürzung der Finanzhilfen des Bundes. BFU-Direktor Siegrist kommt deshalb zum Schluss: «Da lohnt es sich auch finanziell, Denkarbeit und Engagement in die Unfallprävention zu investieren.»
Die BFU unterstützt die Verbände und Vereine
Als nationales Kompetenzzentrum unterstützt die BFU deshalb die Verbände und Vereine dabei, Unfälle im Sport zu vermeiden. So stellte sie am BFU-Forum Sport beispielweise die Checklisten «Return to Play» vor. Diese ermöglichen Personen ohne medizinische Ausbildung besser abzuschätzen, ob eine Verletzung vorliegt.
Zehn Übungen werden nacheinander durchgeführt, um den möglicherweise verletzten Körperteil zu testen. Nur wenn alle Übungen schmerzfrei durchgeführt werden können, ist eine Fortsetzung des Trainings oder Spiels sinnvoll.
Die BFU konzentriert sich auf die häufigsten Verletzungen in der jeweiligen Sportart. Beim Fussball gibt es in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Fussballverband je eine Checkliste für die Abklärung von Knie– (41 % der schweren und mittelschweren Verletzungen) und Fussgelenkverletzungen (30 %).