Anweisungen oder bestimmte Verfahren sind für die meisten Arbeitstätigkeiten ausreichend. Dennoch gibt es einige Arbeitstätigkeiten, die besondere Sorgfalt erfordern. Dann kann das Einholen eines Arbeitserlaubnisscheins (auch Arbeitsfreigabe genannt) vor Beginn der Arbeiten tatsächlich Leben retten.
„Gefährliche Arbeiten“ – zum Beispiel mit Gefahrstoffen, unter Absturzrisiken oder mit elektrischer Spannung – erfordern besondere schriftliche Anweisungen; das sogenannte Arbeitsfreigabesystem oder auch Arbeitserlaubnis genannt. Dieses Freigabesystem wird durch den Unternehmer oder die Unternehmerin erteilt und muss vor Beginn der Arbeiten durch eine berechtigte Person ausgestellt werden.
In vielen Branchen ist die Arbeitsfreigabe ein zentraler Prozess; insbesondere in allen sicherheitskritischen Bereichen wie dem Bauwesen, der Industrie, der Energieerzeugung und der chemischen Industrie. Ein Arbeitsfreigabesystem soll sicherstellen, dass die Arbeiten sicher und effizient durchgeführt werden, indem Unternehmer:innen die Risiken minimieren und klare Anweisungen für die Ausführung von „Gefährlichen Arbeiten“ bereitstellen.
Das formelle System gibt an, welche Arbeiten wann durchgeführt werden müssen, welche Teile der Arbeit sicher sind und welche Massnahmen vorab ergriffen werden müssen.
Eine verantwortliche Person beurteilt die Arbeiten und überprüft die Sicherheit in jeder Arbeitsphase. Die Personen, die die Arbeiten ausführen, unterzeichnen die Genehmigung ebenfalls, um zu zeigen, dass sie die Risiken und die erforderlichen Vorsichtsmassnahmen verstanden haben und sie einhalten werden.
Diese Art von Genehmigungen dienen in der Praxis als Kommunikationsmittel zwischen der Standortleitung, den Anlagenbetreibern und denjenigen, die die Arbeiten ausführen.
Ohne eine ordnungsgemässe Arbeitsfreigabe können Risiken wie Unfälle, Verletzungen und Umweltschäden entstehen. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil des Risikomanagements und trägt zur Einhaltung von Vorschriften und Normen bei.
Arbeiten mit hohem Risiko, bei denen möglicherweise ein schriftliches Arbeitserlaubnisverfahren erforderlich ist, wären zum Beispiel:
- Heissarbeiten / Feuerarbeiten (z.B. Schweissen, Trennschleifer)
- Arbeiten / Befahren in Behältern oder Silos
- Elektroarbeiten
- Arbeiten in der Höhe
- Feuerarbeiten in Ex-Bereichen
- Arbeiten an Rohrleitungen, die gefährliche Stoffe transportieren
- Abrissarbeiten und Arbeiten mit Asbest
- Arbeiten mit gefährlichen Stoffen
- Arbeiten mit biologischen Arbeitsstoffen
- Arbeiten an Strahlungsquellen
Eine Arbeitserlaubnis ist kein Ersatz für eine umfassende Risikobewertung, sondern trägt dazu bei, die Risikobewertung an der entscheidenden Stelle zum Leben zu erwecken.
Arbeitserlaubnis und Arbeitsfreigabe sind keine Garantien
Unter den Auftraggebern entsteht oft der Gedanke, dass durch die Erteilung einer Arbeitsfreigabe alle Gefahren eliminiert sind und keine Unfälle mehr passieren können. Das ist leider ein Missverständnis.
Es darf nie vergessen werden, dass durch das alleinige Erteilen einer Arbeitserlaubnis oder einer Arbeitsfreigabe ein Arbeitsplatz nicht ausreichend sicher wird. Hinzu kommt immer noch der Faktor Mensch mit seiner Kompetenz, Erfahrung, Kommunikation und seinem Verhalten am Arbeitsplatz.
Ein wichtiger Punkt ist auch, dass für die anstehenden Arbeiten die Rollen und Verantwortlichkeiten klar definiert sind, und das ohne Lücken. Sollten beispielsweise die Arbeiten nicht in einer Schicht erledigt werden können, muss sichergestellt sein, dass der Arbeitsplatz in einem sicheren Zustand überlassen wird und sichere Anweisungen für die nächste Schicht verfügbar sind.
Für die Gestaltung der Arbeitsfreigabe spielen mehrere Elemente eine Rolle:
- Planung und Bewertung: Eine gründliche Planung sowie eine Risikobewertung müssen vor Durchführung der Arbeiten erfolgen. Potenzielle Gefahren müssen identifiziert und Massnahmen zur Risikominderung müssen festgelegt werden.
- Genehmigung: Die Arbeitsfreigaben müssen ausschliesslich durch autorisierte Personen erfolgen, die aufgrund ihrer Kompetenz die Arbeiten überprüfen und genehmigen können.
- Sicherheitsinstruktion: Arbeitnehmende müssen über die spezifischen Risiken und über die Sicherheitsmassnahmen informiert werden. Dazu gehören auch die Nutzung von persönlicher Schutzausrüstung (kurz: PSA) sowie das Verhalten im Notfall.
- Überwachung und Kontrolle: In periodischen Abständen sollten Kontrollen von Arbeitsplätzen durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass die Regeln eingehalten werden und keine neuen Risiken entstehen.
- Abschluss und Rückmeldung: Nach Abschluss der Arbeiten muss eine Rückmeldung gegeben werden. Dies kann eine persönliche Abschlussinspektion sein, wobei sichergestellt werden kann, dass alle Arbeiten gemäss den Vorgaben durchgeführt wurden und ordnungsgemäss abgeschlossen sind und keine Gefahren zurückbleiben.
Das Genehmigungssystem sollte ein Verfahren für die Übergabe der Anlage nach Abschluss der Arbeiten vorsehen.
Was gehört in einen Arbeitserlaubnisschein?
Die Genehmigung bzw. der Arbeitserlaubnisschein sollte alle relevanten Informationen enthalten, die korrekt und in einem geeigneten Format präsentiert werden. Es sollten keine übermässig komplexen oder mehrdeutigen Aussagen enthalten sein. Ein einseitiges A4-Dokument reicht in der Regel aus.
Alle beteiligten Mitarbeiter müssen über die relevanten Informationen (einschliesslich Gefahren und Kontrollen) verfügen. Die Mitarbeiter des Unternehmens müssen zum Beispiel wissen, was das Wartungspersonal im Hause tut, und auch umgekehrt.
Wenn mehrere Genehmigungen vorliegen, sollten diese an einer geeigneten Stelle in einer systematischen Anordnung angezeigt werden, die es dem Personal beispielsweise ermöglicht zu überprüfen, welche Geräte abgeschaltet sind oder gewartet werden.
Es kommt immer wieder Mal vor, dass mehrere Firmen gleichzeitig am gleichen Arbeitsort tätig sind. «Wenn unter solchen Umständen niemand die Koordination übernimmt, kommt es zu Betriebsstörungen, Arbeitsverzögerungen und zu Unfällen», heisst es in der Suva Publikation 66092 «Zusammenarbeit mit Fremdfirmen».
Hier muss der Auftraggeber in seiner «Garantenpflicht» die Koordination für das Zusammenwirken mehrerer Betriebe berücksichtigen. Eine Tätigkeit von Firma X darf nicht gleichzeitig eine Gefahr für Firma Y darstellen (z.B. Firma X arbeitet mit Lösemitteln, während Firma Y in der Nähe Schweissarbeiten ausführt.) Die Verantwortung des Auftraggebers gegenüber den Mitarbeitern einer Fremdfirma ist in der «Verordnung über die Unfallverhütung (VUV) – Art.6; Information und Anleitung der Arbeitnehmer» erwähnt.
Der Auftraggeber kann die Koordinationsaufgabe entweder selbst übernehmen oder diese Tätigkeit einem externen Koordinator übergeben. Seine «Garantenpflicht» bleibt aber weiterhin erhalten.
Wichtige Punkte zum Verfahren „Arbeitsfreigabe“:
- Kommunikation: Die Kommunikation zwischen den beteiligten Parteien muss klar und eindeutig sein, um Missverständnisse und Fehler zu vermeiden.
- Dokumentation: Alle Aspekte des Arbeitsfreigabeprozesses sollten sorgfältig dokumentiert werden, einschliesslich der Genehmigungen, Instruktionen und Überprüfungen.
- Schulungen / Instruktionen: Die Mitarbeiter sollten regelmässig geschult und instruiert werden, um ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in Bezug auf die Arbeitsfreigabe auf dem neuesten Stand zu halten.
- Audits und Überprüfungen: Regelmässige Audits und Überprüfungen des Arbeitsfreigabeprozesses können dazu beitragen, Schwachstellen zu identifizieren und kontinuierliche Verbesserungen zu fördern.
Die Einholung einer formellen Genehmigung und die strikte Einhaltung festgelegter Sicherheitsrichtlinien helfen einen sicheren Betrieb zu gewährleisten, bevor mit unregelmässigen und gefährlichen Arbeiten begonnen wird.
Auch Vorkehrungen zum Umgang mit Verstössen müssen vorab den Beteiligten kommuniziert werden.
Es kann passieren, dass zu Beginn einer Schicht zu einer Überlastung der Genehmigungen kommen kann. Planen Sie daher die Arbeiten sorgfältig, um die Verteilung von Arbeitsfreigaben zu optimieren, oder stellen Sie zu Stosszeiten mehr Genehmiger bereit. Oft gelten die Arbeitsfreigabescheine nur einen Tag und müssen am Folgetag entweder verlängert werden oder neu ausgestellt werden.
Wenn über die Einführung eines elektronischen Genehmigungssystems nachgedacht wird, müssen die Risiken bewertet werden, die mit der Umstellung vom papierbasierten System verbunden sind.
Fazit
Die Arbeitsfreigabe ist eine wichtige Sicherheitsmassnahme und zugleich auch ein kritischer Prozess zur Gewährleistung der Sicherheit und die Wirksamkeit der Arbeitsdurchführung. Durch sorgfältige Planung, klare Kommunikation und kontinuierliche Überwachung kann die Arbeitsfreigabe dazu beitragen, Risiken zu minimieren und einen sicheren Arbeitsablauf zu gewährleisten. Unternehmen sollten diesen Prozess regelmässig überprüfen und optimieren, um eine sichere und produktive Arbeitsumgebung zu gewährleisten.
Quellen:
Unfallversicherungsgesetz (UVG): Art. 82 «Allgemeines»
Arbeitsgesetz (ArG): Art. 6 «Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer»
Suva Publikation 66092 „Zusammenarbeit mit Fremdfirmen“
Beispielvorlagen Arbeitserlaubnisscheine: BGHM: Erlaubnisscheine
Weitere Informationen: work-safe.ch