Freitag, 20. September 2024
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Fast schon täglich lesen, hören und sehen wir es in den Medien: im Winter besteht die Gefahr einer Strommangellage oder gar eines Blackouts (Stromausfall). Doch was bedeutet ein länger andauernder und flächendeckender Stromausfall für den Arbeitgeber und -nehmer tatsächlich?

Tatsache ist: fällt der Strom aus, funktioniert vieles in unserer Gesellschaft nicht mehr. Ein Stromausfall führt zu einem sofortigen Ausfall von sämtlichen elektrisch betriebenen Geräten und Anlagen mit unmittelbaren Konsequenzen für die Bevölkerung und die Wirtschaft. Bankomaten funktionieren nicht mehr, die Kommunikation (Telefon, Internet usw.) fällt aus und an Tankstellen gibt es keinen Treibstoff, da die Pumpen in den Zapfsäulen nicht mehr laufen.

Die allermeisten Betriebe können ohne Strom nichts produzieren, keine Mails mehr versenden und ähnliches. Selbst wenn gewisse Betriebe für eine gewisse Zeit noch einen Notstrombetrieb aufrechterhalten können, können unter Umständen ihre Angestellten nicht mehr zur Arbeit erscheinen, da auch der Verkehr zum Erliegen gekommen ist.

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Praktisch die gesamte Gesellschaft wird stillstehen. Auf das Arbeitsverhältnis bezogen, werden sowohl die «Leistungen» der Arbeitgebenden, namentlich das zur Verfügung stellen der Arbeitsmöglichkeit und der Arbeitslohnzahlung, als auch die «Gegenleistungen» der Arbeitnehmenden, namentlich ihre Arbeitsleistung, unmöglich.

Das Gesetz sieht in einem Fall des Unmöglichwerdens einer Leistung folgendes vor:

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Art. 119 OR (Obligationenrecht):

1 Soweit durch Umstände, die der Schuldner nicht zu verantworten hat, seine Leistung unmöglich geworden ist, gilt die Forderung als erloschen.

2 Bei zweiseitigen Verträgen haftet der hienach freigewordene Schuldner für die bereits empfangene Gegenleistung aus ungerechtfertigter Bereicherung und verliert die noch nicht erfüllte Gegenforderung.

3 Ausgenommen sind die Fälle, in denen die Gefahr nach Gesetzesvorschrift oder nach dem Inhalt des Vertrages vor der Erfüllung auf den Gläubiger übergeht.

Ein Arbeitsvertrag ist ein zweiseitiger Vertrag. Der Arbeitnehmer schuldet die Arbeitsleistung, der Arbeitgeber den Arbeitslohn. Da die jeweiligen «Schuldner» der Leistung, also weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer, die Umstände des Stromausfalles zu verantworten haben und ihre jeweilige Leistung unmöglich geworden ist, gelten ihre gegenseitigen Forderungen als Erloschen.

Stromausfall könnte tatsächlich auch Lohnausfall bedeuten

Dies bedeutet der Arbeitnehmer muss keine Arbeitsleistung erbringen und der Arbeitgeber hat keine Arbeitslohnzahlung zu tätigen. Somit könnte man vereinfacht sagen, dass ein Stromausfall auch einen Lohnausfall zur Folge haben wird.

Absatz 2 von Art. 119 OR regelt noch den Fall, dass der freigewordene Schuldner (in der Regel der Arbeitgeber) für die bereits empfangene Gegenleistung (hier die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers) haftet. Normalerweise ist es so, dass der Arbeitnehmer in Vorleistung geht und zunächst seine Arbeitsleistung erbringt und erst am Ende des Monats für die geleistete Arbeit seinen Arbeitslohn erhält.

Angenommen der Stromausfall findet am 15. des Monats statt, so müsste der Arbeitgeber die bis am 15. des Monats empfangene Arbeitsleistung noch vergüten (sobald dies wieder möglich ist und die Bankensysteme wie eBanking oder Bankomat wieder funktionieren). Anschliessend, also ab dem Tag des Stromausfalles bis zu seiner Beendigung, wären beide Parteien gegenseitig von der Leistungspflicht befreit.

Hoffen wir also, dass es allen Unkenrufen zum Trotz nicht zu einem Stromausfall kommen wird.

Der Autor:
lic. iur. Michel Rohrer ist ein ausgewiesener Spezialist für Arbeits- und Gesundheitsrecht und verfügt u.a. über eine Zusatzausbildung als Sicherheitskoordinator nach EKAS, www.aequitas-kontrollen.ch, 061 281 75 15.

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