Freitag, 20. September 2024
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Fast stündlich verschärft sich die Situation rund um das Coronavirus (COVID-19). Damit verbunden sind auch die Folgen für die betroffenen Personen und Betriebe. Welche rechtliche Bedeutung hat das Coronavirus für den Arbeitsalltag?

Die Lage ist sehr ernst. Um die massiven Einbrüche in den nächsten Wochen und Monaten zu überstehen, brauchen Sie einen Plan – und zwar sofort. Nicht jede Person und jeder Betrieb ist gleich stark betroffen. Welche Massnahmen sinnvoll und angezeigt sind, unterscheidet sich daher von Fall zu Fall.

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Rechtlich gesehen bestehen zwei Spannungsfelder, namentlich einerseits die «Einhaltung» von Regeln, Verträgen und Gesetzen[1] und andererseits die «Nichteinhaltung» bzw. (nachträgliche) «Anpassung» von Regeln, Verträgen und ähnlichem aufgrund nicht voraussehbarer und nicht vermeidbarer Veränderung der Umstände, welche ansonsten zu einem groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung führen würden.[2]

Hier kommt ein aus dem römischen Recht stammender und mittlerweile auch in die Rechtsprechung eingegangener allgemeiner Rechtsgrundsatz zum Tragen. Er besagt, dass der Vertrag nicht gelten soll, wenn sich die Umstände wesentlich ändern bzw. dass der Vertrag entsprechend den neuen Umständen nachträglich angepasst werden sollte. Und zwar im dem Sinne, wie es die Parteien auch getan hätten, wenn Ihnen dieser neue Umstand bei Vertragsschluss bereits bekannt gewesen wäre.

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Meines Erachtens lässt sich dieser allgemeine Rechtsgrundsatz aus dem Vertragsrecht auch sehr gut auf die vorliegende aussergewöhnliche Situation im Zusammenhang mit dem Coronavirus anwenden.

Durchführung von Mitglieder- oder Gesellschaftsversammlungen

Obschon beispielsweise die Statuten eines Betriebes die Durchführung einer Gesellschafterversammlung innert sechs Monaten nach Geschäftsabschluss vorsehen, zwingt die aktuelle Situation die Betriebe dazu, die Gesellschafterversammlung abzusagen, zu verschieben oder in einer alternativen Form (z.B. auf elektronischem Weg) durchzuführen.

Solange dabei die eigentlichen «Versammlungsgrundsätze» eingehalten werden, wie zum Beispiel die rechtszeitige Bekanntgabe der Traktanden und sonstigen Informationen, die Beratungsmöglichkeit und die Möglichkeit von Fragestellungen und anschliessend die freie Willensbildung sowie die klare und eindeutige Kommunikation des Abstimmungsentscheids, kann eine Gesellschafterversammlung – ohne die Einhaltung von Formalien einer Statutenänderung und ähnlichem – auch in einer «alternativen Form» durchgeführt werden.

Hier sei auch explizit auf die Möglichkeit der Urabstimmung hingewiesen. Die Urabstimmung bezeichnet eine Abstimmung, zu der alle Mitglieder einer Organisation (beispielsweise politische Parteien, Gewerkschaften, Vereine) aufgerufen sind. Es gilt, über eine bestimmte Fragestellung abzustimmen, die in der Regel von besonderer Bedeutung ist, weshalb das Ergebnis auf eine breite Grundlage gestellt werden muss. Da diese Organisationen oftmals nicht örtlich gebunden sind, finden Urabstimmungen zumeist in Form von Briefwahlen statt.

Schutzmassnahmen am Arbeitsplatz

Der Arbeitgeber muss aufgrund seiner Fürsorgepflicht zumutbare Massnahmen zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer treffen. Konkret auf die aktuelle Situation rund um das Coronavirus sind dies unter anderem folgende, nicht abschliessend aufgezählte Massnahmen:

  • Information und Aufklärung der Arbeitnehmer über Risiken und Ansteckungsmöglichkeiten: Informationen finden sich auf der Webseite des Bundesamtes für Gesundheit BAG (www.bag.admin.ch) oder auch auf der Webseite des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO (www.seco.admin.ch). Insbesondere sollten die Verhaltens- und Hygieneregeln des BAG unter www.bag-coronavirus.ch bekannt gemacht werden.
  • Bereitstellung von Waschmöglichkeiten sowie Desinfektionsmitteln und evtl. auch Schutzmasken.
  • Verzicht auf Geschäftsreisen in Risikogebiete sowie Einschränkung von direkten Kontakten (Abstand halten, kein Händeschütteln usw.) sofern dies möglich ist.
  • Bekanntgabe von Verhaltensregeln (wie Informationspflicht) bei Erkrankung des Arbeitnehmers oder einer Person in dessen unmittelbarem Umfeld.
  • Einführung von Selbstquarantäne und Homeoffice (sofern möglich), wenn z.B. ein Arbeitnehmer aus einem Risikogebiet zurückkehrt, zum Schutze der übrigen Arbeitnehmer.

Kurzarbeit

Weiter besteht unter Umständen die Möglichkeit, «Kurzarbeit» einzuführen. Kurzarbeit bedeutet die durch den Arbeitgeber im Einverständnis mit den betroffenen Arbeitnehmenden angeordnete vorübergehende Reduktion der vertraglichen Arbeitszeit, wobei die arbeitsrechtliche Vertragsbeziehung aufrechterhalten bleibt. Durch die Kurzarbeitsentschädigung wird ein anrechenbarer Arbeitsausfall angemessen entschädigt. Damit sollen Arbeitslosigkeit verhindert und Arbeitsplätze erhalten werden.

[1]     Z.B. das Prinzip der Vertragstreue (pacta sunt servanda; lat. für Verträge sind einzuhalten).

[2]     Der Grundsatz aus dem römischen Recht namens «clausula rebus sic stantibus» hat einen Ausweg parat: Es besagt, dass die Vertragsparteien stets stillschweigend abmachen, dass der Vertrag nicht gelten soll, wenn sich die Umstände wesentlich ändern.

Die vorstehenden Ausführungen dienen einzig zu Informationszwecken und stellen weder ein Angebot im rechtlichen Sinne noch eine Aufforderung oder eine konkrete Empfehlung dar. Die darin enthaltenen Angaben sind rein informativ und können jederzeit und ohne Vorankündigung geändert werden. Die AEQUITAS AG übernimmt keine Gewähr hinsichtlich der Vollständigkeit, Zuverlässigkeit, Richtigkeit und Aktualität der vorliegenden Informationen und Angaben. Insbesondere beinhaltet das vorliegende Dokument keine umfassende Risikoaufklärung.

Autor: lic. iur. Michel Rohrer, Präsident des Verwaltungsrats der AEQUITAS AG

Als erfahrener Jurist und Wirtschaftsermittler verfügt Michel Rohrer über eine 20-jährige Berufserfahrung. Er verantwortet komplexe Beratungsmandate. Darüber hinaus ist er Geschäftsführer und Rechtskonsulent mehrerer Unternehmen und Verbände aus den Bereichen IT-Services, Consulting-Dienstleistungen, Steuer- und Unternehmensberatung, namentlich in den Bereichen Compliance, Unternehmensnachfolge, Umstrukturierungen, Gründungen, Liquidationen sowie in der Gewaltprävention und der Forensik.

 

 

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