Freitag, 20. September 2024
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Erste Hilfe Schulungen sind trotz verschärfter Corona-Massnahmen ausdrücklich weiterhin erlaubt. Wer derzeit einen Erste Hilfe Kurs besucht, muss das aber unter der Einhaltung von Schutzkonzepten tun – auch während praktischen Übungen. Wie das funktioniert, haben wir nachgefragt und selbst angeschaut.

Bildungsveranstaltungen in physischer Anwesenheit sind derzeit zwar untersagt, jedoch gibt es kein absolutes Präsenzverbot. In den Erläuterungen zu Art. 6d der Verordnung COVID19 werden Ausnahmeregelungen beschrieben. So bleiben unter anderem Weiterbildungsangebote, die zu für die Gesellschaft wichtigen Diplomen und Zertifikaten nötig sind, erlaubt. Explizit werden Erste Hilfe Schulungen genannt.

«Notfälle machen vor dem Coronavirus nicht Halt», sagt Franziska Rüegg, stellvertretende Geschäftsleiterin der notfallTraining schweiz gmbh. «Es gibt sie weiterhin und besonders jetzt ist es für die Ersthelfer elementar zu wissen, wie sie sich selbst schützen und trotzdem helfen können. Während der ersten Welle im Frühling 2020 kam es vor, dass Menschen aus lauter Rücksicht nicht oder zu spät ins Spital gingen. Es ist deshalb sehr wichtig, dass Ersthelfer die Symptome erkennen und Erste Hilfe leisten können. Und nur über Fallbeispiele lernen sie, ihr Wissen anzuwenden und im Notfall richtig zu reagieren. Deshalb ist Präsenzunterricht in unserer Branche schlicht nicht wegzudenken.»

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Schutzkonzept für Erste Hilfe Schulungen

Das Schutzkonzept der notfallTraining schweiz gmbh umfasst elf Seiten und regelt die unterschiedlichsten Details. «Wir halten im Grundsatz alles ein, was auch für die Bevölkerung gilt», sagt Franziska Rüegg. Dazu gehört beispielsweise das regelmässige Händedesinfizieren, das Lüften der Räume, das Tragen von Schutzmasken während dem ganzen Tag, der Mindestabstand in der theoretischen Schulung und in den Pausen, eigene Trinkflaschen, abgepackte Gipfeli, geliefertes Mittagessen. Wer krank ist, darf nicht teilnehmen und das Unternehmen hat von allen Teilnehmern die Kontaktdaten.

Etwas schwieriger wird es, sobald es an praktische Übungen geht. «Dann ziehen wir Handschuhe an», sagt Franziska Rüegg, «und wenn wir beispielsweise am Reanimations-Phantom arbeiten, wird dieses sofort wieder desinfiziert, bevor ein anderer Teilnehmer daran übt. Die Beatmung üben wir nicht, zumal vom Swiss Resuscitation Council (SRC) ohnehin empfohlen wird, dass Ersthelfer derzeit keine Beatmung durchführen sollten. Wir beschränken uns also auf die Herzdruckmassage und den Einsatz eines Defibrillators (AED).»

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Oliver Heeroo, Projektleiter bei Energie 360° AG in Zürich, nahm am 19. Januar 2021 an einer Schulung bei der notfallTraining schweiz gmbh teil, «weil ich einen Tag nachholen muss, den ich im November 2020 verpasste», wie er sagt. «Damals gab es einen Corona-Verdacht in meinem privaten Umfeld und ich blieb vorsorglich zu Hause.»

Für ihn funktioniert das Schutzkonzept während der Schulung gut. «Ich hatte zwar ein bisschen Bedenken, fühle mich aber gut aufgehoben», sagt er. «Jeder trägt eine Maske, der Sicherheitsabstand ist gewährleistet und alle Details sind im Rahmen des Möglichen umgesetzt. Für mich selbst ist es auch nicht störend, dass ich den ganzen Tag eine Maske tragen muss oder dass wir untereinander physisch weniger nah sind. Hingegen sind die Fallbeispiele sehr wichtig für mich. In jedem Betrieb muss die Erste Hilfe gewährleistet sein, trotz Corona, das steht ausser Frage.»

Das Schutzkonzept sei nicht ganz so störend, wie er sich das vorgestellt habe, sagt auch Fritz Flörchinger, Leiter Ausbildungsorganisation und Administration bei Securitas AG. Er führt im Jahr selbst rund 300 bis 400 Kurse für interne Mitarbeitende und externe Kunden durch und ist ebenfalls einer der Teilnehmer dieser Erste Hilfe Schulung bei der notfallTraining schweiz gmbh. «Einschränkungen gibt es beim Sprechen, manchmal ist man durch die Maske weniger gut verständlich. Ausserdem fehlt die Mimik im Gespräch. Das verfälscht gewisse Details, besonders wenn es um die Patientenbeurteilung geht. Auch der informelle Austausch untereinander ist eingeschränkt, man zieht sich automatisch in seine Zone zurück. Aber wir müssen uns daran anpassen.»

Sicher brauche es derzeit andere Methoden und körperbetonte Übungen versuche man anders zu lösen. «Das geht in der Ersten Hilfe aber nur sehr schwer», sagt Flörchinger. «Praktische und physische Übungen kann man nicht virtuell schulen.»

Praktische Übungen sind zentral

Auf die praktischen Übungen im Rahmen des Schutzkonzeptes zu verzichten, ist für Franziska Rüegg kein guter Rat. «Es ist wichtig, dass man theoretisches Wissen praktisch anwendet», sagt sie. «Wenn man nach einer theoretischen Wissensvermittlung dazu aufgefordert wird, das zu üben, sieht man oft wie schwierig die Umsetzung ist. Meistens funktioniert es nicht auf Anhieb richtig. Während der Pandemie achten wir einfach darauf, dass wir nur wirklich nötige Themen auch tatsächlich praktisch üben. Wir legten schon immer grossen Wert auf verschiedene Lehrmethoden, um alle Lerntypen anzusprechen. Die Methoden passen wir an, wo es Sinn macht.» Wichtig sei dabei auch der Selbstschutz. «Er ist immer ein Thema während Schulungen», sagt Rüegg, «aber durch die aktuelle Situation hat das Thema zusätzliches Gewicht erhalten.»

Flexibilität bleibt gefragt

Vor allem Grosskonzerne haben derzeit interne Weisungen, dass Mitarbeitenden jegliche Aktivität ausserhalb der Firma untersagt ist. Manche arbeiten zu hundert Prozent im Home-Office und wieder andere haben Kontakt zu vulnerablen Gruppen. «Aus solchen Gründen kann es natürlich sein, dass manche Teilnehmer nicht zur Schulung kommen wollen oder dürfen», sagt Franziska Rüegg. «Ein bisschen hilft da der Druck einer ablaufenden Zertifizierung. Man hat einen Aufbau gemacht, eine Grundschulung, einen Wiederholungskurs, und möchte am Ball bleiben. Läuft die Zertifizierung ab, muss man das alles wiederholen. Das ist zeit- und kostenintensiv.»

Zwar hat der IVR die Gültigkeit seiner Zertifikate verlängert, andere Zertifizierungen wurden jedoch noch nicht verlängert. Für Fritz Flörchinger spielt das ohnehin nur am Rande eine Rolle. «Das Leben geht weiter», sagt er. «Deshalb gibt es auch weiterhin Notfälle. Es ist für eine Firma wichtig, dass sie ihre Mitarbeitenden weiterbildet, auch in dieser Situation. Der Betrieb hat eine Verantwortung, dass die Mitarbeitenden trainieren und sich auf Notfälle vorbereiten können. Es geht um Leben, da kann man keinen Kompromiss eingehen.»

Die Planung dieser Kurse ist aber auch für ihn eher schwierig: kleinere Gruppen, dadurch mehr Kurse, eine redundante und flexible Planung mit Weitsicht und mit möglichst wenig Einschränkungen. «Auch wir sind permanent daran, Kurse zu verschieben oder anzupassen», sagt Flörchinger. «Auch wir hatten schon einen Kursteilnehmer, der nach dem Kurs positiv auf Corona getestet wurde. Offenbar funktionierte das Schutzkonzept, kein anderer Teilnehmer hatte sich bei ihm angesteckt.

Was ist erlaubt – und wie lange?

Derzeit sind individuelle, massgeschneiderte Schulungen in den Unternehmen selbst eher schwierig zu realisieren und nicht erlaubt. Nur Schulungen, die für eine Branchenzertifizierung nötig sind, bleiben möglich – also für die Zertifikate von IVR (Interverband für Rettungswesen), SRC (Swiss Resuscitation Council), CZV (Chauffeurenzulasssung ASTRA) oder FPH (für Apotheker) – sofern der Kanton dies erlaubt. Wenn es um eine Branchenzertifizierung geht, kann ein Erste Hilfe Kurs auch im Unternehmen selbst stattfinden, wenn in den Räumlichkeiten ein Schutzkonzept eingehalten werden kann.

Vorauszuplanen sei derzeit aber eher schwierig, sagt Franziska Rüegg. «Die öffentlichen Kurse planen wir Anfang Jahr und führen sie wenn möglich durch. Nach jeder neuen Bestimmung und Änderung der Massnahmen prüfen wir genau, was weiterhin erlaubt ist. Andere Kurse schauen wir individuell mit den Kunden an. Manche Firmen planen schon für den Herbst, in der Hoffnung, dass es dann geht. Wir müssen aber teilweise auch Kurse kurzfristig absagen, aus den unterschiedlichsten Gründen.»

Und manchmal müssen in der Eile andere Referenten oder Referentinnen gefunden werden, weil sie am Arbeitsplatz im Spital gebraucht werden. «Unsere Kursleiter kommen alle aus der Pflege, aus dem Rettungsdienst, der Anästhesie, den Intensivstationen oder den Notfallstationen. Sie erleben, wie es ist, mit Corona-Patienten zu arbeiten. Das ist sehr interessant für die Teilnehmer», sagt Franziska Rüegg.

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Chefredaktor safety-security.ch / CEO bentomedia GmbH / Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Betriebssanität SVBS / SFJ-Award für Qualitäts-Fachjournalismus

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