Freitag, 20. September 2024
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Das Deutsche Bundeskartellamt hat dem Unternehmen Facebook weitreichende Beschränkungen bei der Verarbeitung von Nutzerdaten auferlegt. Dr. Marc Al-Hames von der Cliqz GmbH sieht Facebook in diesen Fragen aber nur auf Platz 2 und möchte vor allem den Konzern Alphabet reguliert sehen.

Nach den Geschäftsbedingungen von Facebook können Nutzer das soziale Netzwerk bislang nur unter der Voraussetzung nutzen, dass Facebook auch ausserhalb der Facebook-Seite Daten über den Nutzer im Internet oder auf Smartphone-Apps sammelt und dem Facebook-Nutzerkonto zuordnet. Alle auf Facebook selbst, den konzerneigenen Diensten wie WhatsApp und Instagram sowie den auf Drittwebseiten gesammelten Daten können mit dem Facebook-Nutzerkonto zusammengeführt werden.

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Die Entscheidung des Amtes erfasst verschiedene Datenquellen:

(i)     Künftig dürfen die zum Facebook-Konzern gehörenden Dienste wie WhatsApp und Instagram die Daten zwar weiterhin sammeln. Eine Zuordnung der Daten zum Nutzerkonto bei Facebook ist aber nur noch mit freiwilliger Einwilligung des Nutzers möglich. Wenn die Einwilligung nicht erteilt wird, müssen die Daten bei den anderen Diensten verbleiben und dürfen nicht kombiniert mit den Facebook-Daten verarbeitet werden.

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(ii)    Eine Sammlung und Zuordnung von Daten von Drittwebseiten zum Facebook-Nutzerkonto ist in der Zukunft ebenfalls nur noch dann möglich, wenn der Nutzer freiwillig in die Zuordnung zum Facebook-Nutzerkonto einwilligt.

Fehlt es bei den Daten von den konzerneigenen Diensten und Drittwebsites an der Einwilligung, kann Facebook die Daten nur noch sehr stark eingeschränkt sammeln und dem Nutzerkonto zuordnen. Enstsprechende Lösungsvorschläge hierfür muss Facebook erarbeiten und dem Amt vorlegen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Wir nehmen bei Facebook für die Zukunft eine Art innere Entflechtung bei den Daten vor. Facebook darf seine Nutzer künftig nicht mehr zwingen, einer faktisch grenzenlosen Sammlung und Zuordnung von Nicht-Facebook-Daten zu ihrem Nutzerkonto zuzustimmen.Die Kombination von Datenquellen hat ganz massgeblich dazu beigetragen, dass Facebook einen so einzigartigen Gesamtdatenbestand über jeden einzelnen Nutzer erstellen und seine Marktmacht erreichen konnte. Der Verbraucher kann in Zukunft verhindern, dass Facebook seine Daten ohne Beschränkung sammelt und verwertet. Die bisherige Zusammenführung aller Daten unter dem Facebook-Nutzerkonto in faktisch schrankenlosem Ausmass hängt für die Zukunft von der freiwilligen Einwilligung der Nutzer ab. Und Freiwilligkeit heisst, dass die Nutzung der Facebook-Dienste nicht von der Einwilligung des Nutzers in diese Art der Datensammlung und -zusammenführung abhängig gemacht werden darf. Wenn der Nutzer die Einwilligung nicht erteilt, darf Facebook ihn nicht von seinen Diensten ausschliessen und muss auf eine Datensammlung und -zusammenführung aus den verschiedenen Quellen verzichten.“  

Facebook ist auf dem Markt für soziale Netzwerke marktbeherrschend

Im Dezember 2018 hatte Facebook weltweit 1,52 Mrd. täglich und 2,32 Mrd. monatlich aktive Nutzer. Der Wettbewerber Google+ hat unlängst angekündigt, sein soziales Netzwerk bis April 2019 einzustellen. Dienste wie Snapchat, YouTube oder Twitter, aber auch berufliche Netzwerke wie LinkedIn und Xing bieten jeweils nur einen Ausschnitt der Leistungen eines sozialen Netzwerkes an und sind deshalb nicht in den relevanten Markt einzubeziehen. Aber auch unter Einbeziehung dieser Dienste würde der Facebook-Konzern inklusive seiner Tochterunternehmen Instagram und WhatsApp auf so hohe Marktanteile kommen, die die Annahme eines Monopolisierungsprozesses nahelegen. Andreas Mundt: „Als marktbeherrschendes Unternehmen unterliegt Facebook besonderen kartellrechtlichen Pflichten und muss bei dem Betrieb seines Geschäftsmodells berücksichtigen, dass die Facebook-Nutzer praktisch nicht auf andere soziale Netzwerke ausweichen können. Ein obligatorisches Häkchen bei der Zustimmung in die Nutzungsbedingungen des Unternehmens stellt angesichts der überragenden Marktmacht des Unternehmens keine ausreichende Grundlage für eine derartig intensive Datenverarbeitung dar. Der Nutzer hat ja nur die Wahl, entweder eine umfassende Datenzusammenführung zu akzeptieren oder aber auf die Nutzung des sozialen Netzwerkes zu verzichten. Von einer freiwilligen Einwilligung in die Datenverarbeitungsbedingungen kann in einer solchen Zwangssituation des Nutzers keine Rede sein.“

Missbrauch der Marktmacht durch Umfang der Sammlung, Verwertung und Zuführung der Daten auf dem Nutzerkonto

Der Umfang, in dem Facebook Daten ohne Einwilligung der Nutzer sammelt, dem Nutzerkonto zuführt und verwertet ist missbräuchlich. Das Bundeskartellamt hat keine Entscheidung getroffen, wie die Verarbeitung von Daten, die bei der Nutzung der originären Facebook-Website selbst anfallen, kartellrechtlich zu bewerten ist. Aufgrund der direkten Zuordnung zu dem konkreten Dienst wissen Nutzer, dass ihre Daten dort in einem bestimmten Umfang erhoben und genutzt werden. Dies ist auch wesentlicher Bestandteil eines sozialen Netzwerkes und dessen datenbasiertem Geschäftsmodell. Was vielen jedoch nicht bewusst ist: Die private Nutzung des Netzwerks ist unter anderem auch davon abhängig, dass Facebook nahezu unbegrenzt jegliche Art von Nutzerdaten aus Drittquellen sammelt, den Facebook-Konten der Nutzer zuordnet und zu zahlreichen Datenverarbeitungsvorgängen verwendet. Drittquellen sind dabei die konzerneigenen Dienste wie Instagram oder WhatsApp aber auch Drittseiten, die mit Schnittstellen, wie dem „Like-“ oder „Share-Button“, versehen sind. Wenn Webseiten und Apps derartige sichtbare Schnittstellen eingebunden haben, fliessen schon mit deren Aufruf oder Installation Daten an Facebook. Es ist also beispielsweise nicht notwendig, einen „Like-Button“ zu berühren oder gar zu betätigen. Schon der Aufruf einer Seite, in der ein „Like-Button“ eingebunden ist, löst den Datenfluss zu Facebook aus. Solche Schnittstellen sind millionenfach auf deutschen Webseiten und in Apps verbreitet. Aber auch wenn für den Internetnutzer gar kein Facebook-Symbol auf einer Website sichtbar ist, fliessen vielfach Daten des Nutzers von einer Internetseite zu Facebook. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Homepage-Betreiber im Hintergrund den Analysedienst „Facebook Analytics“ einsetzt, um damit Auswertungen über die Nutzer seiner Homepage durchzuführen. Andreas Mundt: „Durch die Kombination von Daten aus der eigenen Website, konzerneigenen Diensten und der Analyse von Drittwebseiten erhält Facebook ein sehr genaues Profil seiner Nutzer und weiss, was sie im Internet machen.“

Europäische Datenschutzvorschriften als Massstab für den Ausbeutungsmissbrauch

Die Nutzungsbedingungen und die Art und der Umfang der Sammlung und Verwertung der Daten durch Facebook verstossen zu Lasten der Nutzer gegen europäische Datenschutzvorschriften. Das Bundeskartellamt hat hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Fragestellungen eng mit führenden Datenschutzbehörden zusammengearbeitet. Das Bundeskartellamt bewertet das Verhalten von Facebook vor allem als einen sogenannten Ausbeutungsmissbrauch. Marktbeherrschende Unternehmen dürfen die Marktgegenseite – hier also die Verbraucher als Facebook-Nutzer – nicht ausbeuten. Das gilt vor allem dann, wenn durch die Ausbeutung gleichzeitig auch Wettbewerber behindert werden, die keinen solchen Datenschatz anhäufen können. Diese kartellrechtliche Herangehensweise ist nicht neu, sondern entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach nicht nur überhöhte Preise, sondern auch die Unangemessenheit von vertraglichen Regelungen und Konditionen eine missbräuchliche Ausbeutung darstellen (sog. Konditionenmissbrauch). Andreas Mundt: „Daten sind heute ein entscheidender Faktor im Wettbewerb. Gerade für Facebook sind sie sogar der wesentliche Faktor für die Dominanz des Unternehmens. Auf der einen Seite steht eine kostenlose Dienstleistung für die Nutzer. Auf der anderen Seite steigt die Attraktivität und der Wert der Werbeplätze mit der Menge und der Tiefe der Daten über die Nutzer. Gerade bei der Datensammlung und Verwertung muss sich Facebook deshalb als marktbeherrschendes Unternehmen an die in Deutschland und Europa geltenden Regeln und Gesetze halten.“

Die Entscheidung des Bundeskartellamtes ist noch nicht rechtskräftig. Facebook hat die Möglichkeit innerhalb eines Monats Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen, über die dann das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheiden würde.

Facebook ist nur die Nummer 2

Dr. Marc Al-Hames, Geschäftsführer der Cliqz GmbH, begrüsst die Entscheidung des Bundeskartellamts. Die Münchner Cliqz GmbH ist eine Beteiligung von Hubert Burda Media und Mozilla und entwickelt Technologien zum Schutz der Privatsphäre, insbesondere Anwendungen zur Abwehr von Tracking durch Drittfirmen wie Facebook  beim Besuch von Websites. Dr. Marc Al-Hames sagt: «Die Internetgiganten müssen endlich wirksam reguliert werden. In dem noch jungen Datenkapitalismus herrschen unfaire Bedingungen. Der Konzern Facebook erhebt über seine Social Networks hochgradig detaillierte Daten über das Leben von Milliarden Nutzern. Schauen wir mal nur auf WhatsApp: Für viele Jugendliche heute schlicht unverzichtbar. Wer dazugehören will, muss mitmachen. Soziale Medien bedingen sozialen Druck. Und Facebook nutzt das gnadenlos aus. Also heisst es: Friss oder stirb. Gib mir deine Daten oder du bist ein Aussenseiter. Das ist ganz klar ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung! Damit aber nicht genug: Facebook überwacht unser aller Aktivitäten, und zwar völlig unabhängig davon, ob wir Mitglied bei einem seiner Netzwerke sind oder nicht. Selbst wer um der Privatsphäre Willen bewusst auf die Social Networks verzichtet, wird ausgespäht: Die Datensammeltechnologien von Facebook, so genannte Tracker, finden sich laut Statistiken von Cliqz und Ghostery auf jeder vierte Webseite, die deutsche Internetnutzer besuchen.» Doch Al-Hames sagt auch: «Facebook ist aber nur die Nummer Zwei. Der mit grossem Abstand bedeutendste Datenmonopolist ist der Konzern Alphabet. Mit der Google-Suche, dem Betriebssystem Android, der App-Vertriebsplattform Play Store und dem Browser Chrome erhebt der Internetgigant Daten über praktisch jeden in der westlichen Welt. Und selbst wer sich dem durch Nutzung alternativer Dienste entziehen möchte, hat keine Chance: Mit einer Tracker-Reichweite von knapp 80 Prozent aller Seitenaufrufe weiss Alphabet mehr über uns alle als wir ahnen. Wenn es um unsere Daten geht, muss zuallererst Alphabet reguliert werden!»

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