Donnerstag, 19. September 2024
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Passen Sie auf, wenn Sie Ihre Meinung im Internet kundtun – im schlimmsten Fall riskieren Sie eine fristlose Kündigung. Diese Erfahrung machte jüngst ein Angestellter beim Bund, der von seinem Chef fristlos entlassen wurde, nachdem dieser auf Postings seines Angestellten in den sozialen Medien aufmerksam wurde.

Passend zum Thema «Digitalisierung» möchte ich Sie mit diesem Artikel auf eine potenzielle Gefahr im Zusammenhang mit dem Internet hinweisen. Immer mehr Daten von und über uns sind digital abgespeichert. Je mehr Daten wir jedoch von uns preisgeben, desto «angreifbarer» werden wir.

Sachverhalt

Ein Bundesverwaltungsangestellter kritisierte auf LinkedIn den Bundesrat und das BAG wegen Covid-Massnahmen. Er beschuldigte den Bundesrat, in Bezug auf die versprochene Freiwilligkeit gewisser Massnahmen gelogen zu haben und das BAG, die Leute heimlich zu tracken.

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Darüber hinaus antwortete der Arbeitnehmer mit Kopie an alle Mitarbeitenden auf eine interne Mailnachricht an die Belegschaft mit der Anrede «Werte Kolleg:innen» wie folgt:

«… er sei, wie er bereits mehrfach mitgeteilt habe, keine «Kolleg:innen», diese Bezeichnung sei grammatikalisch schlicht falsch. Insgesamt sei das «Gendern» nicht einfach eine dumme Modeerscheinung, sondern brandgefährlich. Er unterzeichnete die Mail mit «besten Grüss:innen 😊».

Die Arbeitgeberin teilte dem Arbeitnehmer in der Folge schriftlich mit, dass seine Mailnachricht bei der Belegschaft Verstimmungen verursacht habe. Der Hauptadressat und andere Mitarbeitende fühlten sich durch den Inhalt und die Tonalität angegriffen. Es folgte ein Personalgespräch. Der Arbeitnehmer entschuldigte sich dabei für die Mail an alle und sagte, es sei keine Drohung gewesen, weil er einen Smiley benutzt habe. Der Arbeitnehmer wurde verwarnt und auf die Konsequenzen für seine Leistungsbeurteilung hingewiesen. Weitere Vorfälle dieser Art werden darüber hinaus nicht mehr toleriert.

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Die Verwarnung zeigte keine grosse Wirkung beim Arbeitnehmenden, denn die Arbeitgeberin erhielt in der Folge Screenshots von Twitterkommentaren, die den Arbeitnehmer zeigten. Die Kommentare beleidigten eine Gruppe von Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung und richteten sich insbesondere gegen Frauen. Es folgte die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Fristlose Kündigung

Aus wichtigen Gründen können die Vertragsparteien Arbeitsverhältnisse jederzeit fristlos auflösen.[1] Als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung gilt jeder Umstand, bei dessen Vorhandensein der kündigenden Partei nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden darf.

Der Arbeitnehmer setzte sich gegen die fristlose Kündigung zur Wehr und argumentierte sinngemäss wie folgt: Er sei wegen Twitterkommentaren fristlos entlassen worden, ohne dass seine Urheberschaft nachgewiesen worden sei. Und selbst wenn er die Kommentare verfasst hätte, sei die fristlose Kündigung missbräuchlich, weil er seine verfassungsmässig geschützte Meinungsäusserungsfreiheit wahrgenommen habe.

Die Arbeitgeberin hielt wie folgt dagegen: Der Arbeitnehmer habe sich strafbar und illoyal verhalten, indem er eine Gruppe von Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminierte und eine Behörde kritisierte, was eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung darstelle. Sie habe ihn schon mehrmals ermahnt, aber er habe sich nicht an den geltenden Verhaltenskodex gehalten. Somit haben die diskriminierenden und ehrverletzenden Äusserungen des Arbeitnehmers sowie seine abermalige öffentlich geäusserte Kritik an einer ihrer Aufsicht unterliegenden Behörde das notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem Arbeitnehmer nachhaltig zerstört.

Das Bundesverwaltungsgericht hielt diesbezüglich fest, dass eine Kündigung dann missbräuchlich sei[2], wenn sie ausgesprochen würde, weil die andere Partei eines ihrer verfassungsmässigen Rechte ausübe, es sei denn, die Rechtsausübung verletze die Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb.

Eine fristlose Kündigung erfordert schweres Fehlverhalten, das Vertrauen zerstört oder erschüttert. Das muss objektiv und tatsächlich der Fall sein. Bei leichteren Verfehlungen muss vorgängig eine Verwarnung ausgesprochen werden. Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung könne insbesondere eine Verletzung der Treuepflicht sein. Die Anforderungen an die Treuepflicht seien anhand der konkreten Funktion und der Stellung des Arbeitnehmers zu bestimmen.

Der Arbeitnehmer war für internationale Angelegenheiten zuständig und repräsentierte seine Arbeitgeberin bei wichtigen Veranstaltungen. Er musste daher besonders auf ihr Ansehen achten. Seine Treuepflicht war deshalb erhöht.

Seine öffentlichen Posts mit einer derart polemischen Kritik an die Adresse des Bundes vertrage sich nicht mit seiner Stellung. Schwer wögen auch die Posts gegen Frauen. Sie enthielten verwerfliches Gedankengut, dessen Zurschaustellung nicht mit der repräsentierenden Funktion des Arbeitnehmers vereinbar sei und das Ansehen der Arbeitgeberin ohne Weiteres beschädige.

Zusammengefasst habe der Arbeitnehmer demnach mit seinen Kommentaren seine ausserdienstliche Treuepflicht gegenüber seiner Arbeitgeberin schwer verletzt. Bei der Gesamtwürdigung sei ausserdem zu berücksichtigen, dass die Kommentare im strafrechtlichen Sinne mindestens Beschimpfungen[3] darstellen dürften. Weiter sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer wiederholt gegen die im Verhaltenskodex statuierten Pflicht, im Privatleben darauf zu achten, die Glaubwürdigkeit und das Ansehen der Arbeitgeberin nicht zu beeinträchtigen, verstossen habe.

Doch genau dies hatte der Arbeitnehmer getan, indem er die Bundesbehörden in den sozialen Medien der Lüge und der geheimen Überwachung bezichtigte. Ausserdem seien die trotz Ermahnung wiederholt politisch heiklen und verwerflichen privaten Kommentare in den sozialen Medien, denen womöglich sogar strafrechtliche Relevanz zukomme, ohne Weiteres geeignet, das Vertrauen zwischen der Arbeitgeberin und ihm tiefgreifend zu erschüttern. Auch zeigte sich der Arbeitnehmer insgesamt als unbelehrbar, weshalb auch von einer weiteren Mahnung keine Besserung zu erwarten gewesen sei. Insgesamt erweise sich die fristlose Kündigung als berechtigt. Die Beschwerde des Arbeitnehmers wurde abgewiesen.

Fazit und Schlussbemerkung

Im letzten Artikel habe ich auf den «digitalen Nachlass» hingewiesen und damit auf die Frage, was nach unserem Ableben mit unseren «digitalen Daten» passiert. Im heutigen Artikel habe ich Ihnen aufgezeigt, dass Sie bereits heute darauf achten sollten, was Sie für digitale Daten produzieren – sonst wird aus der vermeintlichen «Meinungsfreiheit» schnell einmal ein «Meinungsverbot» mit Rechtsfolgen.

Entweder gilt die Regel: im Zweifel lieber nichts «posten» oder Sie berücksichtigen sinngemäss die sog. «DDSS Funk- und Sprechregel»: Denken-Drücken-Schlucken-Sprechen. Was hier so viel bedeutet, wie dass man vor dem «Posten» genau nachdenken sollte, was man «posten» und vor allem auch «wie» man sich äussern möchte (sachliche Tonalität).

[1] Art. 337 Abs. 1 OR (Obligationenrecht) bzw. Art. 10 Abs. 4 BPG (Bundespersonalgesetz)

[2] Art. 336 Abs. 1 lit. b OR.

[3] Art. 177 StGB (Strafgesetzbuch).

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Der Autor lic. iur. Michel Rohrer ist ein ausgewiesener Spezialist für Arbeits- und Ge-sundheitsrecht und verfügt u.a. über eine Zusatzausbildung als Sicherheitskoordinator nach EKAS, Mail: michel.rohrer@aequitas-ag.ch, www.aequitas-kontrollen.ch, 061 281 75 15.

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