Freitag, 20. September 2024
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Der bisher zertifizierbare Standard OHSAS 18001:2007 zu Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (SGA) wurde letztes Jahr durch die neue Norm ISO 45001:2018 abgelöst. Die Forderungen zur Ermittlung der SGA-Gefährdungen legen ihren Fokus nun vermehrt auch auf den Gesundheitsschutz.

 

Die im März 2018 eingeführte Norm ISO 45001 tritt neu an den Platz der OHSAS 18001. Diese verliert nach einer Übergangsfrist von drei Jahren per 11. März 2021 ihre Gültigkeit. Betriebe, welche bisher im Bereich Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit nach OHSAS 18001 zertifiziert waren und diesen Standard aufrechterhalten wollen, müssen einige Elemente ihrer Managementstrukturen überarbeiten. Eine Betrachtung der interessierten Parteien und des Kontextes, verstärktes Einbinden der Führungsverantwortung, riskiobasiertes Denken und höhere Anforderungen an die Kommunikation sind Aspekte, die es näher zu betrachten gilt.

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Die neue Norm folgt der sogenannten «High Level Structure»: Sie lässt sich einfach in andere, bereits bestehende Managementsysteme integrieren (z.B. ISO 9001:2015 für Qualität oder ISO 14001:2015 für Umwelt).

Neue Aspekte in der Gefährdungsermittlung

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Die OHSAS 18001 hat sich bei der Ermittlung der Gefährdungen in einem Betrieb auf folgende Punkte konzentriert:

  • Gefährdungen durch
    • die Organisation der Arbeit
    • Infrastruktur und Anlagen
    • menschliche Faktoren
    • Mitarbeitende und andere Personen (Besucher, Personen mit Zugang zum Arbeitsplatz)
  • Gefährdungen von aussen und
  • gegenseitige Gefährdungen (andere Arbeitsplätze in der Umgebung)

Die Gefährdungsermittlung nach ISO 45001:2018 wird breiter ausgeführt, insbesondere hinsichtlich der betroffenen Personen und der Einflüsse durch und auf die Arbeitsplatzumgebung. Sie nennt weitere Elemente, welche neu ebenfalls zu berücksichtigen sind:

  • Gefährdungen durch
    • soziale Faktoren (Arbeitsbelastung, Arbeitszeiten, Belästigung, Schikanieren)
    • die Führung und Kultur der Organisation
    • relevante Vorfälle inner- oder ausserhalb der Organisation
    • potentielle Notfallsituationen
    • weitere Faktoren im Umfeld des Arbeitsplatzes (Arbeitsbereichsgestaltung)
  • Gefährdung von Personen in der Umgebung des Arbeitsplatzes, die durch die Tätigkeiten der Organisation betroffen sein könnten (Passanten, Auftragnehmer, Nachbarn)
  • Gefährdung von mobilem Personal wie Aussendienst, Kundendienst, Heimarbeiter, Einzelarbeiter

Damit wird der aktuelle Zeitgeist aufgegriffen. Es geht nicht mehr nur darum, die Gefahren hinsichtlich bestimmter Prozesse und Tätigkeiten im Betrieb zu ermitteln. Vielmehr stehen nun Personengruppen oder der Mensch als Ganzes im Fokus.

Umsetzung in der Praxis

Beispiel: Mutterschutz
Schwangere Frauen und stillende Mütter reagieren sensibler auf mögliche Schädigungen und Beanspruchung im Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen und dem Arbeitsumfeld. Gewisse physikalische Einflüsse, Chemikalien oder biologische Substanzen können die Entwicklung des Kindes stören oder vorzeitige Aborte oder Fehlbildungen hervorrufen. Eine klassische Gefährdungsermittlung hat sich bisher vor allem auf die Tätigkeiten und Arbeitsprozesse konzentriert. Nun müssen wir unsere Sichtweise ändern und nicht mehr die Gefährdung, sondern die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ins Zentrum stellen. Mit Ausnahme von Untertagarbeiten in Bergwerken (Art. 66 ArGV 1) dürfen Frauen nicht grundsätzlich vom Ausüben bestimmter Tätigkeiten ausgenommen werden. Es stellt sich daher die Frage, wie das Thema Mutterschutz in die Gefährdungsermittlung integriert werden kann. Nach Art. 62 Abs 1 ArGV 1 und gemäss Kap. 2 der Mutterschutzverordnung gibt es klar definierte Tätigkeiten, welche für schwangere Frauen und stillende Mütter besondere Gefahren mit sich bringen. Beim Durchführen einer Gefährdungsermittlung muss daher diesen spezifischen Tätigkeiten vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt werden, um die Sicherheit von Mutter und Kind stets gewährleisten zu können.

Beispiel: Schutz der persönlichen Integrität
Soll dieses Thema in eine Gefährdungsermittlung einfliessen? Die Antwort ist einfach: das kann es gar nicht. Überbelastung, Mobbing oder sexuelle Übergriffe sind nicht per se davon abhängig, welche Tätigkeiten ausgeübt, mit welchen Maschinen oder mit was für Gefahrstoffen gearbeitet wird. Es wäre daher kaum zielführend, sie in einer Gefährdungsermittlung im herkömmlichen Sinne explizit zu erwähnen. Die aktuellen Zahlen von Fehltagen zeigen aber auf, dass gerade die Absenzen aus dem Bereich der psychosozialen Risiken für viele Betriebe ein sehr wichtiges und ernst zu nehmendes Thema darstellt. Die Thematik sollte deshalb in eine moderne SGA-Politik und somit in das Unternehmens-Leitbild als Basis einer wirksamen Unternehmenskultur integriert werden.

Fazit

Sowohl die Unternehmen wie auch die Fachleute im Bereich SGA sind gefordert, ihren Blickwinkel zu vergrössern, wenn es um die Ermittlung von Gefährdungen nach ISO 45001:2018 geht. Die Richtung der neuen Norm ist aus fachlicher Sicht eine positive Entwicklung. Nun gilt es, diese neue Dimension zu erfassen, zu verarbeiten und in den Betriebsalltag zu integrieren. Wenn dies gelingt, so bedeutet das einen weiteren Schritt in zum Wohle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und zu mehr physischer und psychischer Gesundheit in unserer Gesellschaft.

Autorin: Maria Bühler, angehende Spezialistin Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Neosys AG.

 

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