Freitag, 20. September 2024
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Eine Minute ja. Mehr eher nicht. Das gilt auch für den Weg zum nächsten Defibrillator.

Bei einem Herzkreislaufstillstand bleibt nicht viel Zeit, um zu helfen. Und zu dieser Hilfe ist jeder Mensch in der Schweiz sogar gesetzlich verpflichtet. Falsch zu helfen ist weniger schlimm als gar nicht zu helfen. Rechtlich verantwortlich machen kann man jemanden nur für die «unterlassene Hilfeleistung».

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10 bis 15 Minuten

Was man mindestens tun kann: Den Rettungsdienst alarmieren. Doch bis professionelle Rettungskräfte nach der Alarmierung eintreffen, vergehen je nach Standort durchschnittlich zwischen zehn und 15 Minuten – manchmal auch deutlich länger, zum Beispiel in abgelegenen Bergregionen. Alleine bis die Rettungskräfte bereit sind, um loszufahren, verstreicht rund eine Minute.

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Hat in dieser Zeit niemand seine zwei Hände angelegt oder einen Defibrillator eingesetzt, bleibt den Rettungskräften meistens nur noch eines: sie müssen den Tod des Patienten feststellen. Bereits nach drei bis vier Minuten wird es kritisch für den Betroffenen.

3 bis 4 Minuten

Eine optimale Erste Hilfe in dieser Anfangsphase ist also das entscheidende, das wichtigste Glied der Rettungskette. Allerdings sind drei bis vier Minuten nicht viel Zeit. Die ersten Momente verstreichen um zu realisieren, dass es sich um einen Herzkreislaufstillstand handelt. Für die Alarmierung braucht es ebenfalls einige Sekunden. Umso mehr muss dann sofort reagiert werden und mittels Thorax-Kompression und dem Einsatz eines AED (Automatisierter Externer Defibrillator) mit der Reanimation begonnen werden.

Immer wieder schreibt die Presse darüber, dass sich die Menschen nicht trauen, einen Defibrillator einzusetzen. Das ist tatsächlich ein Problem, für das es am Markt verschiedene Lösungsansätze gibt. Die Hersteller von Defibrillatoren lassen sich einiges einfallen, um diese Hemmschwellen abzubauen. Zum Beispiel gibt es Geräte im Fisherprice-Look oder Vollautomaten, die dem Helfer den Schritt abnehmen, den Knopf zum Schocken selber drücken zu müssen. Doch leider scheitert es schon häufig viel früher: Wissen Sie, wo in Ihrer Umgebung sich der nächste AED befindet? Und wie viel Zeit brauchen Sie, um dorthin zu gelangen, den Defibrillator zu holen und die Anwendung vorzubereiten – nachdem Sie die Notsituation erkannten und alarmierten?

1 Minute

Drei bis vier Minuten sind da schnell mal vorbei und obwohl Sie alles richtig machten, rinnen die Überlebenschancen der Patienten dahin. Viele Betriebe und sogar ganze Gemeinden richten sich rund um AED deshalb nach der 60-Sekunden-Dichte: von jedem Standort aus soll innert 60 Sekunden ein AED erreichbar sein. Ihn zu holen und innert weiteren 60 Sekunden wieder beim Patienten zu sein, sich nochmals während rund 60 Sekunden einsatzbereit zu machen, nachdem man die Notsituation erkannte und die Rettungskräfte alarmierte, braucht dann also rund drei bis vier Minuten. So sind Sie noch gut in der Zeit. Eine Studie aus dem New England Journal of Medicine aus dem Jahr 2000 sagt: Kann innert drei Minuten defibrilliert werden, überleben 74 Prozent der Betroffenen!

400 oder 4736 Menschenleben?

In der Schweiz erleiden jährlich rund 8000 Menschen einen Herzkreislaufstillstand. 80 Prozent von ihnen haben initial ein Kammerflimmern und könnten entsprechend defibrilliert werden. Tatsächlich wird die Überlebensrate in der Schweiz aber nur auf rund fünf bis sieben Prozent oder anders gesagt auf 400 bis 560 Menschen geschätzt. Das Potenzial ist deutlich höher: würden alle 8000 innert drei Minuten mit einem Defibrillator behandelt (80% mit Kammerflimmern, in 74% Prozent erfolgreich reanimiert), würden 4736 Menschen überleben – also rund zehn Mal so viele wie heute!

Eine Minute – das mag nicht überall möglich sein, aber es ist bestimmt häufiger möglich, als es heute Realität ist. Denn die Erfahrung zeigt: Die Überlebenschance ist nicht primär davon abhängig, ob es der erste Infarkt oder ein schwerer Infarkt ist, sondern vor allem davon, wo man ihn erleidet. Deshalb: Sprechen Sie mit der Gemeinde über die Möglichkeiten, tauschen Sie sich mit Nachbar-Betrieben aus, bilden Sie Erste-Hilfe-Gemeinschaften und verdichten sie so das Netz an schnell erreichbaren Defibrillatoren.

Das Beispiel Pfäffikon

Eine Gemeinde, die sich genau daran orientiert und sich in diese Richtung entwickeln möchte, ist das zürcherische Pfäffikon. Im Jahr 2016 entschied der Gemeinderat, verschiedene Massnahmen zu treffen, um die Überlebenschancen bei einem Herzkreislaufstillstand zu erhöhen. Neben einem breiteren öffentlichen Bewusstsein für das Thema und der Ausbildung möglichst vieler Menschen in der Hilfeleistung ist die Verfügbarkeit von AED ein wesentliches Element dieser Massnahmen. Alle gemeindeeigenen Defibrillatoren sollen mittelfristig jederzeit zugänglich sein und die Dichte an öffentlichen und privaten AED soll koordiniert und erhöht werden. Vor wenigen Wochen zeigten diese Massnahmen bereits Früchte. Am Bahnhof Pfäffikon ZH brach eine Frau, gut 40 Jahre alt, zusammen und musste wiederbelebt werden. Die am Bahnhof wartenden Menschen reagierten rasch und souverän und da der Landwirtschaftliche Verein von Pfäffikon-Hittnau-Russikon im Februar 2016 die Firma JDMT damit beauftragte, beim Geschäftshaus Molki, unmittelbar neben dem Bahnhof Pfäffikon, einen öffentlich zugänglichen AED zu installieren, konnte die Frau erfolgreich reanimiert werden.

 

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Chefredaktor safety-security.ch / CEO bentomedia GmbH / Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Betriebssanität SVBS / SFJ-Award für Qualitäts-Fachjournalismus

Ein Kommentar

  1. Die zehn bis fünfzehn Minuten sind auch nur ein Durchschnitt. Häufig dauert es viel viel länger bis der Rettungsdienst da ist. Genau in solchen Regionen würde der eine oder andere Defi mehr bestimmt viel Sinn machen!

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