Freitag, 20. September 2024
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In den frühen Dienstags-Morgenstunden fegte ein heftiger Gewittersturm, begleitet von orkanartigen Böen sowie gebietsweise Hagelschlag, über den Kanton Zürich und richtete erneut Schäden in Millionenhöhe an. Besonders betroffen war die Stadt Zürich und die Regionen rund um Kloten und Winterthur. Zusammen mit den Unwettern in der zweiten Junihälfte 2021 rechnet die GVZ mit einer voraussichtlichen Schadensumme von rund 40 Millionen Franken.

Bis Dienstag Mittag lagen der GVZ mehr als 300 Schadenmeldungen vor, die vor allem Sturmschäden und Schäden durch umgestürzte Bäume, aber auch überflutete Keller und Garagen betreffen. Und die Schadenmeldungen steigen im Minutentakt. Ersten Einschätzungen zufolge geht die GVZ von etwa 2000 Schadenfällen aus.

Die Feuerwehren standen nach Mitternacht praktisch ununterbrochen im Einsatz. Die Aufräumarbeiten haben begonnen und werden durch den Zivilschutz und weitere Organisationen unterstützt. Regierungsrat Mario Fehr, Sicherheitsdirektor und Verwaltungsratspräsident der GVZ sagt nach seinem Augenschein in Freienstein und Rümlang: «Die Zürcher Feuerwehren und Partner des Bevölkerungsschutzes leisten Ausserordentliches und tragen damit zur Schadenbegrenzung im ganzen Kanton bei. Ich danke allen Einsatzkräften sowie den Mitarbeitenden der Einsatzleitzentrale von Schutz & Rettung Zürich für ihre grossartige Arbeit.»

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Lars Mülli, Direktor der GVZ, schliesst sich dem Dank von Mario Fehr an und ergänzt: «Die GVZ-Schadenabteilung wurde aufgestockt. Unsere Schätzungsexpertinnen und -experten sind permanent im Einsatz, um die Gebäudeschäden raschmöglichst aufzunehmen. Allerdings kann es aufgrund des hohen Schadenaufkommens vereinzelt zu längeren Bearbeitungszeiten kommen. Die GVZ bittet Kundinnen und Kunden um Verständnis.»

In den kommenden Tagen ist aufgrund der anhaltenden Regenfälle von Oberflächenabfluss und Hochwasser auszugehen. Die GVZ empfiehlt Eigentümerinnen und Eigentümern entsprechende Schutzmassnahmen vorzunehmen – insbesondere zum Schutz vor Keller- und Garagenüberflutung.

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Bereits 25 bis 30 Millionen Schäden im Juni

Infolge der aussergewöhnlichen Wetterlage mit schweren Gewittern wurden bereits zwischen dem 18. und 28. Juni 2021 viele Gebäude im Kanton Zürich beschädigt. Über das gesamte Kantonsgebiet gesehen waren im Juni 2021 die südlichen Ortschaften der Bezirke Affoltern, Horgen und Meilen am stärksten von den Unwettern betroffen. Allein aus diesen Regionen gingen nach dem Hagelzug vom 28. Juni 2021 bei der GVZ rund 3000 Schadenmeldungen ein. Sie betreffen insbesondere Lamellenstoren und sonstige Sonnenschutzsysteme. Nach ersten Hochrechnungen geht die GVZ für die Ereignisse zwischen dem 18. und 28. Juni 2021 von insgesamt 10’000 Schadenfällen und einer Schadensumme von 25 bis 30 Millionen Franken aus.

Vorgehen im Schadenfall

Schäden sind der GVZ schnellstmöglich zu melden: Mit dem Onlineschadenformular oder unter www.gvz.ch → Schaden melden oder telefonisch an die GVZ-Schaden-Hotline 0800 442 442 (kostenlos, 7 Tage, 24 Stunden). Bevor mit der Umsetzung von Not- und Sofortmassnahmen begonnen wird, sollte der Schaden unbedingt dokumentiert werden. Es empfiehlt sich, Fotos von Schadenereignis und Schäden zu erstellen. Ausser den nötigen Sofortmassnahmen sollten keine Veränderungen, welche die Schadenabklärung erschweren könnten, vorgenommen werden. Und beschädigte Gebäudeteile und Einrichtungen sollten erst nach der Schadenbeurteilung respektive Schadenbesichtigung durch die GVZ entsorgt werden.

Einzuleitende Notmassnahmen betreffen das Anbringen von Notabdeckungen und Notabdichtungen, das Abpumpen von Wasser sowie die Grobreinigung und Trocknungsarbeiten (Entfeuchtungs- und Trocknungsapparate in geschlossenen Räumen).

Übrigens: Die App «Wetter-Alarm», eine kostenlose Dienstleistung der Kantonalen Gebäudeversicherungen mit Wetterdaten von SRF Meteo, informiert frühzeitig über aufkommende Unwetter und Gefahrenzonen: www.wetteralarm.ch

Sommergewitter mit Hagel

Ein einziges Hagelgewitter kann sich über grosse Gebiete erstrecken und binnen Minuten sehr viele Gebäude beschädigen. Dies war auch bei den bereits im Juni 2021 beobachteten Gewittern nicht anders. Im langjährigen Durchschnitt geht rund ein Drittel aller Gebäudeschäden auf Hagel zurück. Besonders exponiert sind alle Bauteile der Aussenhülle, das heisst Dach, Fassade und Aufbauten wie Antennen oder Solaranlagen. Gewitter mit Hagel treten zwischen Mai und Oktober besonders häufig auf. Doch wann und wo genau Hagel fällt, lässt sich nur sehr kurzfristig vorhersagen. Am besten sorgt man vor, lange bevor ein Gewitter aufzieht – mit präventiven Schutzmassnahmen.

Dörte Aller, Verantwortliche Klima und Naturgefahren des SIA erklärt im Bauherrenpodcast-Interview mit Marco Fehr, wie Hagelschäden an Immobilien verhindert werden können:

Ein drei Zentimeter grosses Hagelkorn schlägt mit fast 90 Stundenkilometern am Boden auf, vier Zentimeter grosse Hagelkörner gar mit zirka 100 Stundenkilometern. Dabei nimmt die Energie im Quadrat zur Geschwindigkeit zu, weshalb etwas grössere Hagelkörner eine sehr viel stärkere Einwirkung haben und entsprechend auch mehr und schwerere Schäden hervorrufen. Da Gewitter typischerweise von stürmischem, böigem Wind begleitet werden, erfolgt der Hagelschlag auch schräg auf die Fassaden. Hagel führt bei einigen Materialien zu Dellen, Verbiegungen oder Oberflächenschäden. Besonders häufig sind Schäden an Storen, aussengedämmten Fassaden sowie an Kunststoffelementen wie Lichtkuppeln, Schwimmbadabdeckungen oder freiliegenden Dichtungsbahnen sowie an dünnen Blechen.

Im schlimmsten Fall können funktionale Schäden wie Risse entstehen. Wird die Gebäudehülle dabei undicht, können bei Wassereintritt grosse Folgeschäden entstehen. Für Betroffene bedeutet ein Hagelschaden zudem Umtriebe und Ärger. Denn ein Hagelschlag trifft meist sehr viele Gebäude gleichzeitigt, was die Reparaturen oder den Ersatz beschädigter Storen entsprechend verzögert. Die Hagelsaison liegt ausgerechnet mitten in der Sommerhitze, wenn exponierte Innenräume ohne Beschattung kaum nutzbar sind.

Hagelschutz beginnt beim Planen

Wie beim Schutz vor anderen Naturgefahren, beispielsweise dem Hochwasserschutz, gilt auch beim Hagelschutz: Je früher die Naturgefahren in den Planungsprozess einbezogen werden, umso einfacher finden sich wirksame und günstige Lösungen – auch bei Umbauten und Renovationen. Beim Schutz vor Hagel sind zwei Grundkonzepte zu beachten: Erstens die Verwendung robuster Materialien und hagelgeprüfter Produkte für alle exponierten Elemente der Gebäudehülle, zweitens der Schutz der besonders verletzlichen Lamellenstoren. So gelingt der Hagelschutz oft nebenbei in Synergie mit anderen Sanierungsarbeiten am Haus. Müssen bei Erneuerungen zum Beispiel Lichtkuppeln aus Kunststoff geschützt werden, sind vorgelagerte Schutzgitter oder -Netze eine prüfenswerte Alternative zum Einbau widerstandsfähigerer Lichtkuppeln aus Glas.

Verbreitet hohe Hagelgefährdung

Um gezielt Schutzmassnahmen zu ergreifen, braucht es einen guten Überblick zur Gefährdung am Standort. Hierzu dient der Naturgefahren-Check, wobei mittels Eingabe des Gebäudestandorts die lokale Gefährdung für alle Naturgefahren und zur Situation passende Empfehlungen für den Gebäudeschutz abgerufen werden können. Im Hintergrund greift dieser Naturgefahren-Check auf die im Mai 2021 veröffentlichte Hagelgefährdungskarte von MeteoSchweiz zu. Diese neuste wissenschaftliche Grundlage des Forschungsprojekts «Hagelklima Schweiz» zeigt, dass verbreitet mindestens einmal in einem Zeithorizont von 20 bis 50 Jahren mit Hagelkörnern von drei Zentimetern Durchmesser oder mehr gerechnet werden muss.

Dies entspricht in etwa der minimalen Lebensdauer, die viele Bauteile der Gebäudehülle erreichen sollten. Ein hoher Hagelwiderstand ist somit auch in Bezug auf die Amortisation von Bautätigkeiten ein wichtiges Entscheidungskriterium. Neu ist die Erkenntnis, dass für eine Wiederkehrperiode von 50 Jahren vielerorts auch mit vier bis fünf Zentimeter grossen Hagelkörnern gerechnet werden muss, zum Beispiel in der Nordwestschweiz entlang des Juras sowie in Teilen des Mittellands und den Voralpen auf der Alpennordseite und im südlichen Tessin. In den inneralpinen Zonen im südlichen Wallis und im Graubünden ist die Hagelgefährdung geringer, resp. die zu erwartenden Hagelkörner sind kleiner.

Schutzziel gegen Hagel gemäss Norm SIA 261/1

Für Neubauten definiert die Norm SIA 261/1 das 50-jährliche Ereignis als Schutzziel gegen Hagel, wobei dieses je nach Gebäudenutzung- und Funktion weiter abgestuft wird. Für normale Wohn- und Gewerbegebäude bedeutet dies an den meisten Orten in der Schweiz, dass die gesamte Gebäudehülle mindestens drei Zentimeter grosse Hagelkörner schadlos überstehen muss. An gewissen Standorten und für Gebäude der Bauwerksklassen BWK II (z. B. Schulgebäude) und III (z.B. Akutspital) gelten höhere Anforderungen. Die Festlegung des Schutzziels richtet sich nach Risikoüberlegungen, weshalb beispielsweise für eine teure Solaranlage in einem hagelgefährdeten Gebiet ein etwas höherer Hagelschutz empfehlenswert ist – insbesondere, wenn es gleichwertige und preiswerte Bauprodukte gibt mit einem höheren Hagelwiderstand.

Das Hagelregister für hagelsichere Bauteile

Die neuen Gefährdungskarten bestätigen die allgemeine Empfehlung vieler Naturgefahrenexperten, Gebäude mindestens auf drei Zentimeter grosse Hagelkörner zu schützen. Dieses minimale Schutzziel ist ohne wesentliche Mehrkosten umsetzbar. Nebst diskussionslos hagelunempfindlichen Materialien wie Beton oder ausreichend starkem Glas (≥ 4 mm) gibt es für sämtliche Elemente der Gebäudehülle eine Vielzahl geprüfter Produkte.

Als Entscheidungshilfe dient das kostenlose Online-Planungstool www.hagelregister.ch, wobei die Bauteile in fünf Hagelwiderstandsklassen unterteilt werden: HW 1 bis HW 5. Die Ziffern entsprechen der maximalen Korngrösse in Zentimetern, der ein Bauteil standhält. Je höher der HW-Wert, desto höher der Hagelwiderstand. Die Produkte im Hagelregister werden gemäss einheitlichen Prüfbestimmungen an sechs Prüfinstituten in der Schweiz, in Österreich und in Deutschland getestet. Die Gültigkeit der Zertifikate wird laufend überprüft.

Hagelwarnsignal für intelligente Storen

Lamellenstoren machen rund einen Drittel aller Hagelschäden aus. Doch diese beweglichen Bauteile haben gegenüber der restlichen Gebäudehülle einen entscheidenden Vorteil: Sind die Storen hochgefahren, ist das Schadenpotenzial gleich null. Die darunterliegenden Fenster und Fensterrahmen sind wenig anfällig für Hagelschlag. Die Kantonalen Gebäudeversicherungen bieten in Zusammenarbeit mit SRF Meteo und NetIT Services kostenlos das Warnsignal «Hagelschutz – einfach automatisch» an, mit dem sich sämtliche Storen an einem Gebäude vollautomatisiert vor Hagel schützen lassen.

Über eine Schnittstelle kann die Gebäudesteuerung laufend die Hagelprognose für den Gebäudestandort abrufen und die Storen bei Hagelgefahr rechtzeitig hochfahren. Diese Hagelprognose wird alle fünf Minuten aus verschiedenen Parametern wie Radardaten, Blitz-Aktivitäten und -Charakteristik, Höhenwinden sowie verschiedenen Prognosemodellen neu berechnet. Die Hagelwarnungen werden sehr differenziert in einem Raster von einem Quadratkilometer erstellt und sind somit räumlich sehr genau. Sobald die Hagelwahrscheinlichkeit einen Schwellenwert unterschreitet, werden sämtliche Storen wieder in ihre ursprüngliche Position gebracht. So einfach funktioniert moderner Gebäudeschutz mit intelligenter Gebäudetechnik.

Hagelklima Schweiz – die neue Hagelgefährdungskarte

Im Rahmen des Projekts «Hagelklima Schweiz» wurden auf Basis aktueller Daten neue Hagelgefährdungskarten erstellt. Diese neuen Hagelgefährdungskarten stellen die neueste wissenschaftliche Grundlage dar und zeigen, dass die Hagelgefährdung in vielen Regionen bisher unterschätzt wurde. Das bedeutet, dass die allgemeine Empfehlung für das Schutzziel Hagelwiderstand HW3 (3 cm Hagelkorndurchmesser) vielerorts bereits ab einer Wiederkehrperiode von 20 Jahren gilt.

Die Karten der Hagelgefährdung zeigen statistisch geschätzte Wiederkehrwerte der Hagelkorngrösse LEHA-100 für die 50-jährliche Wiederkehrperiode. LEHA-100 beschreibt die grösste zu erwartende Hagelkorngrösse auf einer Referenzfläche von 100 m2. Sie wird von der Grösse des maximal erwarteten Hagelkorns pro Quadratkilometer des Radarhagelalgorithmus MESHS abgeleitet (Radardaten von MeteoSchweiz für 2002 bis 2020).

Die neuen Gefährdungskarten Hagel stellen die Hagelkorngrösse als Funktion der Wiederkehrperiode T dar. Sie beschreiben die Hagelkorngrösse, die unter heutigen Klimabedingungen, pro Referenzfläche, mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/T pro Jahr überschritten wird. So zeigt die Karte für 50 Jahre, mit welcher Korngrösse über lange Sicht gesehen im Mittel einmal in 50 Jahren bzw. einer Wahrscheinlichkeit von 2% pro Jahr zu rechnen ist. Die vorliegenden Karten stellen eine aktualisierte Grundlage dar, um die lokale Hagelgefährdung einzuschätzen. Die Karte der Hagelzonen in Anhang G1 der Norm SIA 261/1 (2020) bleibt unverändert gültig.

  • LEHA (Largest Expected Hail on a reference Area): Hagelkorngrösse auf Referenzfläche (engl. Largest Expected Hail on a reference Area) ist eine rechnerische Ableitung aus der auf den Quadratkilometer bezogenen Hagelkorngrösse MESHS.
  • MESHS (Maximum Expected Severe Hail Size) beschreibt das grösste zu erwartende Korn, mit dem auf einer kleineren Referenzfläche gerechnet werden kann. Im Extremfall kann ein MESHS-Korn auf der Referenzfläche auftreffen, aber das wird nur selten geschehen.

Lesen Sie auch: «Gebäudeschutz: Mit Blick auf Naturgefahren bauen und renovieren»

 

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