Freitag, 20. September 2024
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Die Gefahren, die bei der Benutzung von tragbaren Leitern und Tritten entstehen, werden häufig unterschätzt. Vor allem im beruflichen Umfeld ist es sehr wichtig, mögliche Risiken im Rahmen einer Risikobewertung gründlich zu prüfen und zu bewerten. Besteht eine erhöhte Gefährdung durch Absturz, müssen die vorgesehenen Arbeiten von sicheren Arbeitsmitteln aus durchgeführt werden, wie Rollgerüsten oder Hubarbeitsbühnen.

Autor: Önder Aktas

Jährlich werden 6000 Berufsunfälle auf Leitern bei der Suva registriert. Bei der Verwendung von sogenannten tragbaren Leitern wird die Gefährdung durch Absturz häufig unterschätzt. Denn bereits ein Absturz aus geringer Höhe (weniger als fünf Meter) kann ernsthafte Verletzungen zur Folge haben oder tödlich enden. Laut Suva geschieht rund die Hälfte aller tödlichen Absturzunfälle aus Höhen bis fünf Meter. Jede achte berufliche IV-Rente ist auf einen Leiterabsturz zurückzuführen.

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Täglich werden diese unverzichtbaren Helfer (mobile Leiter) von unzähligen Menschen benutzt. Der Vorteil ist, dass sie einfach in der Handhabung sind, man sie ohne jegliche Hilfsmittel transportieren und an verschiedenen Orten aufstellen kann. Aber eines darf man nicht ausser Acht lassen:

Eine Leiter ist kein sicherer Arbeitsplatz!

Bei der Planung von Arbeiten in der Höhe gilt immer der Grundsatz, tragbare Leitern nur dann einzusetzen, wenn es keine geeignetere Alternative gibt.

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Zu tragbaren Leitern gehöhren Anstell- und Bockleitern, die von Hand und ohne Hilfsmittel transportiert werden und aufgestellt werden können. Daneben gibt es Podestleitern, die auf Rollen stehen und mit einem Arbeitspodest mit Umwehrung versehen und somit eine sichere Alternative sind. Dann gibt es die Spezialbockleitern, die nur einseitig bestiegen werden können. Diese besitzen eine Plattform sowie eine Haltevorrichtung.

Bevor tragbare Leitern für Arbeiten in der Höhe oder als Zugang zu hochgelegenen Arbeitsplätzen eingesetzt werden, muss im Rahmen einer Risikobewertung ermittelt werden, welches Arbeitsmittel für die auszuführende Arbeit geeignet und sicher ist. Die Anstellleitern dienen hauptsächlich als Zugangsmittel zu Arbeitsplätzen. Wenn immer möglich, sollte nicht auf Anstelleitern gearbeitet werden.

Die Bockleiter hingegen dient nie als Zugangsmittel, sondern immer als Arbeitsstelle. Das Übersteigen von der Bockleiter auf eine andere Plattform ist strengstens untersagt. Auch das Benutzen einer zusammengeklappten Bockleiter als Anlegeleiter wird nicht toleriert.

Soll die Leiter als Arbeitsstelle dienen, wäre aufgrund der auszuführenden Arbeiten zu bewerten, ob sie für diese Arbeiten geeignet ist. Es ist gefährlich und untersagt, sich bei Arbeiten auf der Leiter auf die Seite zu beugen. Der Schwerpunkt der Person muss immer innerhalb der Holme liegen. Andernfalls muss die Leiter versetzt werden.

Wird für die Ausführung der Arbeiten doch eine Leiter benötigt, müssen folgende wichtige Sicherheitsregeln beachtet werden:

  • Planen Sie vor Beginn der Arbeiten, welche Art von Leiter Sie für die Ausführung der Arbeiten benötigen.
  • Beträgt die Absturzhöhe mehr als zwei Meter ab Standfläche ist eine Absturzsicherung (z.B. PSAgA – Persönliche Schutzausrüstung gegen Absturz) anzuwenden.
  • Führen Sie vor dem Einsatz der Leiter eine Sichtprüfung auf Beschädigungen durch (z.B. beschädigte Sprossen, beschädigte oder fehlende Leiterfüsse etc.).
  • Die Leiter darf nur von einer Person betreten werden. Achten Sie dabei auf geeignetes Schuhwerk.
  • Die Leiter darf nur auf ebenem und tragfähigem Boden aufgestellt werden. Der Untergrund muss rutschhemmend und unverschiebbar sein. Besonders in den Übergangszeiten draussen wird die Gefahr oft überschätzt.
  • Bei Bockleitern drauf achten, dass die Spreizsicherung (textile Bänder, Ketten oder fixierbare Gelenke) gespannt oder eingerastet und nicht beschädigt ist.
  • Achten Sie bei Anstelleitern auf den 70 Grad Anstellwinkel.
  • Beim Überstieg muss die Anstelleiter die Ausstiegskante um mindestens 1 Meter überragen.
  • Generell dürfen Leitern nicht für den Materialtransport verwendet werden. Der Benutzer darf nur leichtes Material oder Werkzeug mit geeigneten Tragmitteln mit sich führen, um sich dabei mit beiden Händen an den Sprossen festhalten zu können.
  • Werden Sie auf Verkehrswegen aufgestellt, müssen zusätzliche Massnahmen (z.B. Absperrungen, Abschrankungen oder Sicherungsposten) aufgestellt werden.
  • Die Leiter darf nicht benutzt werden, wenn Risiken durch elektrischen Strom bestehen.
  • Auch der Einsatz der Leiter als Übergang (Überbrückung) ist strengstens untersagt.
  • Bei der Lagerung der Leitern ist zu beachten, dass sie nicht mechanischer Beschädigung oder aggressiven Stoffen (z.B. Säuren) ausgesetzt sind.
Bildquelle: DGUV-Information 208-016
Leiternorm EN 131

Die Norm EN 131 befasst sich mit mobilen, tragbaren Leitern und wurde seit 2018 nach und nach überarbeitet. Es wurden zusätzlich neue Leiterklassen eingeführt. Im gewerblichen Bereich werden Leitern mit der Klasse «Professional» (beruflich) und im privaten Bereich mit «Non Professional» (privat) bezeichnet. Die Einstufung „Professional“ stellt höhere Anforderungen an Festigkeit und Lebensdauer.

Auch bezüglich der Standbreite gibt es Anpassungen. Alle tragbaren Anlegeleitern, die eine Leiterlänge von mehr als 3 Metern haben, müssen eine grössere Standbreite aufweisen. Die Standbreite wird durch eine Quertraverse (Querfuss) oder konische Bauweise (Standverbreiterung) umgesetzt. Bei Mehr- oder Vielzweckleitern mit einem aufgesetzten Schiebeteil, darf das Schiebeteil nur dann getrennt und genutzt werden, wenn es ebenfalls über eine Quertraverse verfügt.

Kurz zu den Grundlagen

Beschafft ein Unternehmer Arbeitsmittel, müssen diese sicherheitskonform sein, dem Stand des Wissens der Technik entsprechen und mit den grundlegenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzanforderungen übereinstimmen. Die Grundlagen dafür sind im Unfallversicherungsgesetz (Art. 82 UVG) sowie im Arbeitsgesetz (Art.6 ArG) wiederzufinden. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, alle Massnahmen zu treffen, die

  • nach der Erfahrung notwendig,
  • nach dem heutigen Stand der Technik anwendbar,
  • den gegebenen Verhältnissen angemessen sind.

Auch nach der Verordnung über die Unfallverhütung (Art. 24 VUV) ist der Arbeitgeber dafür verantwortlich, in seinem Unternehmen nur sichere Maschinen und Arbeitsmittel einzusetzen. Das „sichere“ Arbeitsmittel oder auch die „sichere“ Maschine kann hier anhand der Konformitätserklärung und Betriebsanleitung seitens Herstellers nachgewiesen werden. Die Dokumente belegen, dass die Maschine oder das Arbeitsmittel nach geforderten Sicherheitsanforderungen gemäss dem Stand des Wissens der Technik (z.B. Normen, Richtlinien, Merkblätter) hergestellt wurden.

Wer darf die Leiter prüfen?

Auch Leitern fallen in die Kategorie der Arbeitsmittel und somit unter die Richtlinie 6512 „Arbeitsmittel“. Der Sachverhalt wird unter dem Punkt 6.2 mit folgendem Wortlaut konkretisiert: „Durch regelmässige Überprüfung kann vermieden werden, dass Schäden zu gefährlichen Situationen führen. Für die regelmässige Überprüfung ist ein Plan zu erstellen, worin die Art der Überprüfung und ihre Häufigkeit festgehalten sind.“

Das „regelmässige und systematische“ Überprüfen der Leiter wird auch in der SUVA-Checkliste 67028 „Tragbare Leitern“ (Frage 19) erwähnt.

Die regelmässige Prüfung von gewerblich genutzten Leitern und Tritten sollte von einer befähigten Person bzw. von einer sachkundigen Person durchgeführt werden. Diese Person prüft aufgrund ihrer Ausbildung und Kenntnisse den Zustand und Funktion von Leitern und Tritten, ob diese für Höhenarbeiten sicher und vollständig sind.

Eine Person, die einen Kurs in Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz besucht hat oder eine Weiterbildung zum Sicherheitsingenieur EigV absolviert hat, zählt nicht als befähigte Person.

Was umfasst die Leiterprüfung?

Leitern müssen einer wiederkehrenden Prüfung durch eine fachkundige Person unterzogen werden. Daher der Begriff „regelmässige und systematische“ Überprüfung. Die Prüfung muss deshalb nachvollziehbar erfasst, dokumentiert und die Leiter inventarisiert werden.

Beim ersten Kontrollblatt werden folgende Angaben erfasst wie z.B.

  • Firma
  • Abteilung
  • Inventarnummer
  • Einsatzort
  • Datum
  • Name des Prüfers
  • Leiterart (z.B. Anlegeleiter)
  • Werkstoff (z.B. Aluminium)
  • Anzahl der Sprossen
  • Leiterlänge
  • Hersteller
  • Typ
  • Anschaffungsdatum

Das weitere Kontrollblatt (Checkliste) befasst sich mit Fragen wie z.B.:

  • Betriebsanleitung am Produkt vorhanden und lesbar?
  • Kennzeichnung vorhanden und lesbar?
  • Verformungen vorhanden?
  • Beschädigung bzw. Korrosion (z.B. Risse)?
  • Funktionsfähigkeit (z.B. Spreizsicherung, Holmverlängerung) in Ordnung?
  • Scharfe Kanten bzw. Grat vorhanden?
  • Verbindung zum Holm in Ordnung?
  • Schmierung (mechanische Teile) in Ordnung?
  • Leiter vollständig?
  • Rutschhemmung der Sprossen?
  • Leiterfüsse bzw. Standverbreiterung vorhanden und in Ordnung?

Nun wird die Leiter bewertet, ob sie sicher ist und weiter benutzt werden kann oder eine Reparatur notwendig ist. Weist sie Schäden auf, muss sie entsorgt werden.

Im Anschluss kennzeichnet der Prüfer die Leiter mit einer Prüfplakette mit dem Datum der nächsten Prüfung und unterschreibt das Prüfprotokoll.

Fazit

Ein Arbeitgeber ist verpflichtet seinen Mitarbeitenden sichere Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen, um das Unfallrisiko zu minimieren. Auch wenn das Tagesgeschäft stressig ist, darf der Arbeitgeber diese Verpflichtung keinesfalls vernachlässigen.

In meiner Tätigkeit für Work-Safe Schweiz biete ich die alljährliche Prüfung an, so dass sich die Kunden auf ihr Tagesgeschäft konzentrieren können. Ergänzend dazu besteht zusätzlich die Möglichkeit im Rahmen einer Inhouse-Schulung die Mitarbeitenden zu sensibilisieren. Dabei sollen sie die Wichtigkeit von Unversehrtheit von Leitern und Tritten und deren sichere Handhabung kennenlernen sowie die Grundlagen der Eigenkontrolle erlernen und anwenden.

Leider muss ich dabei immer wieder die Erfahrung machen, dass Leitern und Tritte gar nicht oder sehr oberflächlich geprüft werden und defekte Leitern immernoch im Einsatz sind. Man bekommt immer wieder die Aussage zu hören: „Ach, die Leiter ist ein bis zwei Mal im Jahr im Einsatz“. Auch diese Leitern müssen geprüft und in sicherem Zustand sein. Schliesslich arbeitet der eigene Mitarbeiter auf dieser Leiter und seine Sicherheit und Gesundheit muss erhalten bleiben.

 

Der Autor:

Önder Aktas

Geschäftsführer Work-Safe Schweiz, Sicherheitsingenieur EigV, Regalprüfer, mehrjährige Erfahrung im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.

 

Quellen:

Bauarbeitenverordnung (BauAV) – SR 832.311.141

Suva Merkblatt 44026 „Tragbare Leitern“

Suva Checkliste 67028 „Tragbare Leitern“

Suva – Weiterführender Link „Leitern“

DGUV Information 208-016 „Verwendung von Leitern und Tritten“

AUVA Merkblatt M 023 „Leitern“

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