Freitag, 20. September 2024
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Trotz umfangreicher Schutzvorkehrungen ereignen sich immer noch Jahr für Jahr mehrere tausend Arbeitsunfälle (auch tödliche), die häufig auf Manipulationen von Schutzeinrichtungen von Maschinen oder Anlagen zurückzuführen sind, welche durch Bediener verursacht werden. Der Hauptgrund: Die Produktion soll weiterlaufen. Die Schutzeinrichtungen werden demontiert, überbrückt oder anderweitig ausser Kraft gesetzt.

Autor: Önder Aktas

Eigentlich sollen aber die Schutzeinrichtungen einer Maschine oder Anlage die arbeitenden Personen vor Gefährdungen schützen. Damit Maschinen und Anlagen sicher betrieben werden können, braucht es das notwendige Fachwissen und die Sensibilisierung von Mitarbeitenden.

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Wie wird der Begriff «Manipulation» in der Fachsprache definiert?

«Eine Manipulation ist ein rechtswidriges und bewusstes Umgehen oder Ausserkraftsetzen von Schutzeinrichtungen.»

Laut Suva sind die Gründe vielfältig. Zeitdruck, Bequemlichkeit und fehlendes Risikobewusstsein sorgen dafür, dass Schutzeinrichtungen von Maschinen oder Anlagen durch Mitarbeitende bewusst ausser Kraft gesetzt werden. In vielen Betrieben kommen solche Fälle viel zu häufig vor. Die Manipulationen von Schutzeinrichtungen führen nicht nur zu schweren Unfällen, sonder verursachen auch hohe Kosten. Folglich kann auch die Verfügbarkeit der Maschinen oder Anlagen eingeschränkt werden.

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Der Manipulationsanreiz liegt oft darin, dass die Bedienung, das Einrichten, die Störungsbeseitigung oder die Reinigung der Anlage durch die Schutzeinrichtungen erschwert oder sogar unmöglich gemacht werden. Dies ist wiederum auf das mangelhafte Schutzkonzept der Maschine oder der Anlage zurückzuführen. Dabei sind Maschinen- sowie Anlagenhersteller – aber auch die Unternehmer – gesetzlich dazu verpflichtet, ausschliesslich sichere Maschinen in Verkehr zu bringen oder bereitzustellen.

Eines ist sicher: Das Manipulieren von Sicherheitseinrichtungen ist eine Straftat und kann nach Strafgesetzbuch (StGB) Art. 230 bestraft werden

Sowohl die Mitarbeitenden als auch Vorgesetzte stehen in der Verantwortung. Eine Manipulation darf von den Vorgesetzten niemals toleriert werden.

Es ist nicht immer einfach, eine Manipulation festzustellen, beispielsweise rund um den bekannten «Klassiker» des gesteckten Betätigers in einem Positionsschalter an einer Schutztür. Wird die Anlage durch einen Fachmann, zum Beispiel einem Betriebselektriker überbrückt, ist es für die anderen Kollegen selbstverständlich, dass sie das auch könnten. Denn sie beurteilen den Sachverhalt aus einem anderen Blickwinkel: «Er darf das ja, es passiert doch nichts».

Ja, die Maschine soll produktiv, zuverlässig und günstig im Einkauf sein. Sicher muss die Maschine natürlich auch noch sein. Wird aber die Schutzeinrichtung während der Planungs- und Konstruktionsphase nicht berücksichtigt, sondern nur auf die fertige Maschine aufgesetzt, ist die Manipulation unumgänglich. Die Schutzeinrichtung wird von den Bedienern als Störfaktor wahrgenommen. Der Bediener muss ständig in den Fertigungsprozess eingreifen und die erwartete Taktrate kann nicht eingehalten werden. Schwere Unfälle sind somit vorprogrammiert.

Auch die Suva hebt den Satz «Sicherheit beginnt beim Kauf. Wer beim Beschaffen an die Sicherheit denkt, hat später weniger Probleme» in ihrer Publikation 66084 hervor.

Infolgedessen ist es ratsam, für das Einholen von Offerten die Anforderungen der neuen Maschine bzw. der Anlage in einem Pflichtenheft (auch Lastenheft genannt) zusammenzufassen. Das Pflichtenheft sollte in einem umfangreichen Team (zum Beispiel Geschäftsleitung, Einkauf, Instandhaltung, Produktionsleitung, Bediener und Sicherheitsbeauftragte) erstellt werden. Für die Auswahl der vorliegenden Offerten sollte wieder im Team entschieden werden, ob die Maschine ohne Manipulation den technischen und wirtschaftlichen Anforderungen entspricht.

Bis die Maschine oder Anlage sitzt und alles problemlos läuft, sind einige Hürden zu bewältigen. Vor allem während der Inbetriebnahme und Einrichtung der Maschine, gibt es sicherheitstechnisch kritische Phasen. Während diesen Phasen (zum Beispiel Erprobungsphase bzw. Einrichten) ist die Maschine womöglich nicht komplett aufgebaut. Die Schutzeinrichtungen können gegebenenfalls noch nicht in Betrieb genommen werden und werden für die Arbeiten umgangen. Je nach Konstruktion der Maschine können in dieser Phase Teilbewegungen erfolgen. Um den späteren Fertigungsablauf zu optimieren, wird während der Einrichtungsphase die Maschine oder Anlage zwangsläufig mit manipulierten Schutzeinrichtungen betrieben. Dies ist aber ein konstruktiver Mangel. Für solche Phasen muss der Maschinenhersteller Betriebsarten anbieten, bei denen die Maschinenbewegungen in Anwesenheit von Einrichtern im Gefahrenbereich sicher möglich sind.

Dies trifft in den meisten Fällen nicht zu und somit kommt viel Aufwand auf die beauftragten Personen zu:

  • Der Bereich für das Aufstellen und Erproben der Maschine und deren Komponenten müssen in einem abgesperrten Bereich erfolgen.
  • Sollte es sich um eine umfangreiche Anlage handeln, wo mehrere Unterfirmen beteiligt sind, sollte ein Koordinator die Abläufe regeln, damit sich die Firmen nicht gegenseitig gefährden.
  • Die Anzahl der beteiligten Personen ist zu begrenzen. Diese müssen fachkundig und speziell geschult sein.
  • Da bei der Erprobung Schutzeinrichtungen ausgeschaltet oder abmontiert sind, müssen möglicherweise auftretende mögliche Gefahren berücksichtigt sein.
  • Das richtige Verhalten beim Auftreten von Unregelmässigkeiten oder Störungen muss bekannt sein.
  • Die erforderlichen Sicherheits-, Warn- und Messeinrichtungen müssen betriebsbereit und funktionsfähig sein.
  • Für die Arbeitsplatzevaluierung müssen die geeigneten Schutzmassnahmen festgelegt und dokumentiert werden.
  • Wenn Manipulationen an Maschinen in der Arbeitssicherheit keine angemessene Beachtung fanden, ist ein Umdenken von verantwortlichen Personen erforderlich.
Fazit

Beim Kauf von neuen oder gebrauchten Maschinen sollte auf jeden Fall die Konformitätserklärung angefordert werden. Eine Betriebsanleitung in der Landessprache des Landen, wo die Maschine betrieben wird, muss vorhanden sein. Entstehen bei der Beschaffung der Maschine neue Risiken, ist zwingend eine Risikobeurteilung durchzuführen.

Der Autor:

Önder Aktas

Geschäftsführer Work-Safe Schweiz, Sicherheitsingenieur EigV, Regalprüfer, mehrjährige Erfahrung im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz.

 

Quellen:

Suva Publikation 66084: «Arbeitsmittel – Sicherheit beginnt beim Kauf»

Suva Checkliste 67146: «STOPP dem Manipulieren von Schutzeinrichtungen»

Fallbeispiel Suva: «Vor Gericht: Manipulation von Sicherheitseinrichtungen als Straftat»

Suva Anleitung 66037: «Risiken beurteilen und mindern – Methode Suva für Maschinen»

Suva Abnahmecheckliste 66084: «Abnahmecheckliste für Arbeitsmittel»

Leitfaden für die Anwendung der Maschinenrichtlinie (MaRL) 2006/42/EG

Manipulation von Schutzeinrichtungen an Maschinen (Report)

Home – stop-defeating.org (Infoseite: Internationale Vereinigung für soziale Sicherheit – IVSS)

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