Freitag, 20. September 2024
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Maverick Buying bezeichnet die Beschaffung von Materialien oder Dienstleistungen im Betrieb, ohne die standardisierten Beschaffungswege zu berücksichtigen und ohne Einbezug des Einkaufs. Dies kann aus Unkenntnis der korrekten Beschaffungsprozesse geschehen, oder es wird bewusst beabsichtigt.

Oft werden die offiziellen Beschaffungsprozesse als träge und kompliziert empfunden, und eine Beschaffung am Einkauf vorbei scheint schneller und unkomplizierter. Wieso den Einkauf bemühen, wenn das dringend benötigte Werkzeug innerhalb einer halben Stunde im nächsten Hobbymarkt besorgt werden kann?

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Maverick Buying ist ein grundsätzliches Problem des Beschaffungsmanagements, da es in der Regel Mehrkosten verursacht. Besonders weitreichend sind die Folgen jedoch bei der unkontrollierten Beschaffung von Gefahrstoffen: Hier wird nicht nur der Einkauf umgangen, sondern eine ganze Reihe von internen Kontrollstellen, unter anderem Sicherheitsbeauftragter, Lager- und Brandschutzverantwortliche, Gefahrgutbeauftragte oder Chemikalien-Ansprechpersonen. Typischerweise können dann folgende Fehler auftreten:

  • Sicherheitsdatenblätter werden nicht korrekt abgelegt, wichtige Informationen bezüglich Gefahren und Schutzmassnahmen bleiben unbeachtet.
  • Es steht kein geeigneter Lagerplatz zur Verfügung, der neue Stoff wird eingelagert, wo gerade Platz ist. Da das Sicherheitsdatenblatt nicht systematisch geprüft wurde, bleiben Hinweise auf spezielles Notfallmaterial oder geeignete persönliche Schutzausrüstung unberücksichtigt und weder Lager noch Anwendungsbereiche werden richtig ausgerüstet.
  • Durch die Verwendung neuer Stoffe entstehen neue Abfälle im Betrieb, oder die Zusammensetzung von Abfällen verändert sich, ohne dass dies im bestehenden Entsorgungskonzept berücksichtigt wird. Als Folge davon gelangen Abfälle auf falsche Entsorgungswege.
  • Falls es sich beim unkontrolliert beschafften Gefahrstoff bzw. bei einem daraus entstehenden Abfall um Gefahrgut handelt, ist die Gesetzeskonformität beim Transport nicht garantiert.
  • Unkontrolliert beschaffte Stoffe können Bestandteil von Endprodukten werden und an Kunden weitergegeben werden ohne dessen Kenntnis. Ohne Überwachung sämtlicher Stoffe und Gegenstände, die in ein Endprodukt gelangen, kann dessen Konformität mit Normen oder internationalem Recht (REACH, WEEE, RohS etc.) gefährdet werden.

Um Maverick Buying zu reduzieren, braucht es klare Regeln: Es ist festzulegen, welche Bedarfsträger überhaupt Bestellungen für Gefahrstoffe auslösen dürfen. Diese Bedarfsträger müssen die korrekten Beschaffungswege kennen und die rechtlichen Konsequenzen von unkontrollierten Gefahrstoffbeschaffungen verstehen.

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Gleichzeitig müssen Prozesse einfach und schnell ablaufen. Dazu können die Bedarfsträger selbst in die Pflicht genommen werden, indem sie zusammen mit der Bedarfsmeldung bereits entscheidende Informationen mitliefern, unter anderem:

  • Verwendungszweck des neuen Stoffes
  • Verbleib des Stoffes (Abfall, Emission oder Bestandteil eines Produktes, das an Kunden abgegeben wird?)
  • Erwartete Lager- und Verbrauchsmengen

Diese und weitere Informationen, zusammen mit dem Sicherheitsdatenblatt, erlauben den betriebsinternen Spezialisten die Beurteilung des Neustoffes und die Abklärung der chemikalienrechtlichen Konsequenzen.

Die Einhaltung der Beschaffungsprozesse muss laufend überwacht werden. Wo bereits ein Gefahrstofflagerkonzept erstellt ist, erlauben Inventarlisten eine Prüfung von Lagern auf Gefahrstoffe, die nicht im Betrieb erfasst sind. Ebenso können Gefahrgut-Beförderungspapiere und generell Lieferscheine auf nicht erfasste Gefahrstoffe überprüft werden. Eine weitere Kontrolle kann in der Finanzabteilung erfolgen, wenn Spesenabrechnungen und Quittungen erfasst werden. Das setzt voraus, dass neben Einkauf und Bedarfsträgern auch die Finanzabteilung über grundlegende Kenntnisse des Chemikalienrechtes verfügt.

Die Umsetzung dieser Massnahmen, vom Definieren der Prozesse über Schulungen bis zur Kontrolle von Materialeingängen, ist mit einem gewissen Aufwand verbunden, doch der Aufwand lohnt sich. Denn solange eine geordnete Beschaffung von Gefahrstoffen im Betrieb nicht gewährleistet ist, können nachfolgende Schutz- und Notfallkonzepte gar nicht vollständig sein, Sicherheitsmassnahmen bleiben lückenhaft und die Gesetzeskonformität ist nicht garantiert.

Autor: Dr.-Ing. Mathias Breimesser, Neosys AG, Gerlafingen

 

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