Freitag, 22. November 2024
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Ende März 2021 erschienen die neuen Reanimations-Guidelines. Wirklich neu ist darin aber nichts. Oder doch? Wir haben bei Andrea Dietschi von notfallTraining schweiz gmbh nachgefragt.

Die Richtlinien rund um die Reanimation werden ungefähr alle fünf Jahre angepasst. Die zwei Guideline-Varianten – jene der AHA (American Heart Association) und jene des ERC (European Resuscitation Council) – beruhen auf einem breit abgestützten Wissenschaftskonsens (CoSTR) des ILCOR (International Liaison Committee on Resuscitation), einem weltweiten Zusammenschluss nationaler und internationaler Reanimationsorganisationen. So wird der aktuelle Stand der Wissenschaft vereinheitlicht in Anwendungswissen überführt. Die AHA und das ERC lassen die neuen Erkenntnisse in die Reanimations-Guidelines einfliessen, um einen einheitlichen und qualitativ hochwertigen Reanimationsablauf vorzugeben.

Die aktuellsten Guidelines des ERC sind Ende März 2021 erschienen. Das SRC (Swiss Resuscitation Council) orientiert sich hauptsächlich an den europäischen Richtlinien und hat diese entsprechend übernommen. «Auch in der Schweiz gibt es jährlich rund 8000 Kreislaufstillstände», sagt Andrea Dietschi, Geschäftsführerin der notfallTraining schweiz gmbh. «Es ist also auch hierzulande genauso wichtig, dass man nach den neusten Erkenntnissen reanimiert.»

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Einheitlicher Algorithmus mit einer Besonderheit für Kinder

Am Inhalt der aktuellsten Reanimations-Guidelines hat sich allerdings kaum etwas geändert. «Die Wissenschaft ist inzwischen sehr weit und mit zunehmendem Wissen gibt es weniger neue Erkenntnisse, die sich vom bisherigen Wissensstand massiv unterscheiden», sagt Andrea Dietschi. «Wir sind auf einem guten Stand und es erstaunt mich deshalb nicht, dass es nur noch wenige Anpassungen gibt.»

Der aktuelle Algorithmus.

Das SRC hat zusätzlich zum einheitlichen Algorithmus – also dem Ablauf einer Reanimation – spezielle Punkte für Kinder einfliessen lassen. «Bei Kindern hat die Beatmung einen höheren Stellenwert», sagt Dietschi. «Kinder haben in der Regel weniger Probleme mit dem Herz. Wenn sie reanimiert werden müssen, haben sie meistens Probleme mit den Atemwegen.»

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Deshalb gilt die Empfehlung, bei Kindern mit fünf Beatmungsstössen zu beginnen und wenn kein Mobiltelefon in der Nähe ist wird noch vor der Alarmierung während einer Minute reanimiert – das heisst, 15 Thoraxkompressionen und zwei Beatmungsstösse im Wechsel. Dann gilt die 2:15-Regel, das heisst, zuerst zwei Beatmungsstösse, danach 15 Thoraxkompressionen. Zum Vergleich: bei Erwachsenen gilt die 30:2-Regel, also zuerst 30 Thoraxkompressionen, dann zwei Beatmungsstösse. «Das zeigt, dass die Beatmung bei Kindern deutlich mehr Gewicht hat», sagt Dietschi.

Einen etwas angepassten Ablauf gibt es im Vorgehen bei einer Aspiration, das heisst, wenn man sich an einem Gegenstand verschluckt. Sowohl Erwachsene als auch Kinder sollen wenn möglich zum Husten aufgefordert werden. Bleibt das Husten erfolglos, werden fünf Schläge mit der flachen Hand auf den Rücken gegeben, zwischen die Schulterblätter.

Bleibt auch diese Massnahme erfolglos, kommt der Heimlich-Handgriff zum Zug: Dabei umfasst der Ersthelfer den Patienten von hinten mit seinen Armen. Er legt eine Faust in die Magengrube, unterhalb des Brustbeins, und die andere Hand darüber. Nun zieht der Ersthelfer ruckartig und kräftig gerade nach hinten, zu seinem Körper. Durch die plötzliche Druckerhöhung im Brustkasten, soll der Gegenstand aus der Luftrohre befördert werden. Wenn das noch immer nicht hilft, soll zwischen Schlägen auf den Rücken und Heimlich-Griff abgewechselt werden. «Das gilt aber nur für Erwachsene und Kinder ab einem Jahr», sagt Andrea Dietschi. «Bei Säuglingen unter einem Jahr darf man den Heimlich-Griff nicht anwenden. Dort sind stattdessen fünf Thoraxkompressionen angesagt.»

Fokus auf die Reanimations-Ausbildung der breiten Bevölkerung

Die wichtigsten Änderungen an den neuen Reanimations-Guidelines beziehen sich weniger auf die Inhalte, sondern viel mehr auf die Ausbildungsorganisation. So gibt es neben den klassischen BLS-AED-SRC-Kompakt- und BLS-AED-SRC-Komplett-Kursen ein neues Format namens ‘BLS-AED-Quick’. Es soll die breite Bevölkerung ansprechen und mit einfachen Methoden schulen. «Das unterstütze ich sehr», sagt Andrea Dietschi. «Möglichst die ganze Bevölkerung sollte sich mit dem Thema auseinandersetzen. Unser Rettungswesen ist sehr gut aufgestellt, trotzdem dauert es zehn bis 15 Minuten, bis die Rettungskräfte vor Ort sind. Das ist genau die Zeit, die für Patienten sehr entscheidend ist. Also ist die Bevölkerung stark gefragt und kann sehr viel Gutes tun.»

«Wir müssen vor allem Schulkinder einbeziehen und schon in der Grundschule Kurse durchführen», sagt Dietschi. «Die Kinder erzählen zu Hause ihren Eltern und Geschwistern davon und motivieren sie, im Notfall zu helfen. In Dänemark, wo diese Themen in der Grundschule gelehrt werden, hat man die Überlebensrate verdreifacht. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen und ich hoffe, dass die Schulen in der Schweiz hier mitziehen.»

Für Dietschi ist wichtig, dass man dabei nicht zu weit denkt: «Natürlich haben Kinder nicht genügend Kraft, um bei einem Erwachsenen perfekte Thoraxkompressionen durchzuführen. Das Ziel muss sein, dass Kinder einen Notfall erkennen, die Atmung kontrollieren, die Notfallnummern kennen und alarmieren können. Das kann ein Kind genauso gut wie ein Erwachsener.»

Was bedeuten die neuen Reanimations-Guidelines für Ersthelfer und Betriebssanitäter?

Die neuen Reanimations-Guidelines stellen nicht die ganze Ausbildung eines Betriebssanitäters oder einer Betriebssanitäterin auf den Kopf. «Was Ersthelfer in der Vergangenheit lernten, ist heute zum Glück nicht falsch», sagt Andrea Dietschi. «Das kann man weiter so anwenden und wenn die Ersthelfer innerhalb der empfohlenen und durch gewisse Zertifikate vorgegebenen zwei Jahre einen Refresher-Kurs besuchen, werden sie rund um die neuen Guidelines geschult.»

Kursanbieter wie die notfallTraining schweiz gmbh setzen die neuen Reanimations-Guidelines ab sofort um: sie passen ihre Unterlagen für die Teilnehmer genauso an wie die eigenen methodisch-didaktischen Unterlagen. Diese Dokumente senden sie an das SRC und erhalten dann das neue Gütesiegel für SRC-zertifizierte Schulungsanbieter. Rund um BLS-AED-Kurse ist dieses Gütesiegel ein wichtiges Qualitätsmerkmal bei der Auswahl eines Kurses.

In Zusammenarbeit mit notfallTraining schweiz gmbh

Neue SRC-Kursrichtlinien

Die SRC-Kursrichtlinien wurden komplett überarbeitet, wobei die drei Kursformate BLS-AED-SRC-Kompakt, BLS-AED-SRC-Komplett und BLS-AED-SRC-Instruktor beibehalten wurden. Diese haben sich in den vergangenen fünf Jahren bewährt. Dazu kommt neu ein maximal vereinfachtes Format BLS-AED-Quick. Die Überarbeitung berücksichtigte vor allem auch die Ergebnisse der Kursanbieterumfrage vom Frühjahr 2020.

Die wichtigsten Änderungen:

  • Die Richtlinien wurden vereinfacht und terminologisch vereinheitlicht.
  • Neu ist das maximal vereinfachte Format BLS-AED-Quick, das auf Sensibilisierung und grösstmögliche Verbreitung von Notrufnummer, Thoraxkompression und Defibrillation ausgerichtet ist.
  • Die obligatorischen Lehraussagen wurden aktualisiert.
  • Die Unterscheidung zwischen den Formaten wurde geschärft.
  • Die Eckdaten der neu vier Formate sind in einer Übersicht dargestellt.
  • Die Mindestdauer der Kurse wurde reduziert.
  • Kinderreanimation wird auf Stufe BLS-AED-SRC-Komplett trainiert.
  • Die Qualitätskontrolle der Kurse und der Anbieter erfolgt differenzierter.
  • Es wurden Kompetenzen zur Ausbilderfunktion in Instruktoren-Kursen definiert.

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Chefredaktor safety-security.ch / CEO bentomedia GmbH / Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Betriebssanität SVBS / SFJ-Award für Qualitäts-Fachjournalismus

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