Freitag, 20. September 2024
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Seit heute dürfen diverse Läden und Dienstleistungen ihre Geschäfte wieder öffnen. Doch die Pandemie ist noch nicht vorbei – wie gestaltet sich trotz Teil-Öffnung der Umgang mit besonders gefährdeten Arbeitnehmenden?

Mit dieser Frage dürfen sich in den kommenden Tagen zahlreiche Arbeitgebende und -nehmende beschäftigen. Das Gesetz[1] verpflichtet die Arbeitgebenden, die Gesundheit der Arbeitnehmenden bestmöglichst zu schützen, wobei auf gesundheitlich angeschlagene Arbeitnehmende[2] eine besondere Rücksichtnahme gefordert ist. Hierzu haben die Arbeitgebenden alle zumutbaren und machbaren Möglichkeiten zu ergreifen. Tun sie dies nicht, so liegt ein Fall des Arbeitgeberverzugs[3] vor.

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So sieht Art. 10c COVID-19-Verordnung 2 vor, dass Arbeitgebende den besonders gefährdeten Arbeitnehmenden ermöglichen sollen, ihre Arbeitsverpflichtungen von zu Hause aus zu erfüllen.

Doch längst nicht alle Arbeitnehmenden können ihre Arbeit von zu Hause aus erbringen. Andererseits ist den besonders gefährdeten und gesundheitlich angeschlagenen Arbeitnehmenden in dieser aktuellen Corona-Situation das Erbringen der Arbeitsleistung nicht zumutbar, wenn die vom Bund erlassenen Schutzmassnahmen nicht eingehalten werden können.

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Was gilt nun bei diesem arbeitsrechtlichen Dilemma? Auch dies hat der Bundesrat in Betracht gezogen und Ersatzarbeit verordnet. Ist es nicht möglich, die angestammte Arbeitsverpflichtung von zu Hause aus zu erfüllen, so weist der Arbeitgebende den betroffenen Arbeitnehmenden in Abweichung vom Arbeitsvertrag bei gleicher Entlöhnung eine gleichwertige Ersatzarbeit zu, die von zu Hause aus erledigt werden kann.[4]

Was aber, wenn es auch keine solche Ersatzarbeit für zu Hause gibt und aus betrieblichen Gründen die Präsenz besonders gefährdeter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Ort ganz oder teilweise unabdingbar ist?

Sie ahnen es bereits, auch daran hat der Bundesrat gedacht. Gemäss Art. 10c Abs. 3 COVID-19-Verordnung 2 dürfen besonders gefährdete Arbeitnehmende in ihrer angestammten Tätigkeit vor Ort beschäftigt werden, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Der Arbeitsplatz ist so ausgestaltet, dass jeder enge Kontakt mit anderen Personen ausgeschlossen ist, namentlich indem ein Einzelraum oder ein klar abgegrenzter Arbeitsbereich unter Berücksichtigung des Mindestabstandes von zwei Metern zur Verfügung gestellt wird.
  • In Fällen, in denen ein enger Kontakt nicht jederzeit vermieden werden kann, werden angemessene Schutzmassnahmen nach dem STOP-Prinzip ergriffen.[5]

Nur wenn weder Arbeit zu Hause noch unter den genannten Schutzvoraussetzungen am Arbeitsort möglich ist, darf der Arbeitnehmende die Erbringung der Arbeitsleistung ablehnen und der Arbeitgeber ist zur Freistellung unter Lohnfortzahlung verpflichtet.[6]

Und wer hat nun was zu beweisen? In beweisrechtlicher Hinsicht haben die betroffenen Arbeitnehmenden ihre besondere Gefährdung durch eine persönliche Erklärung geltend machen, wobei die Arbeitgebenden das Recht haben, ein ärztliches Attest zu verlangen.[7] Umgekehrt haben die Arbeitgebenden den Nachweis zu erbringen, dass die Abstands- und Hygiene-Regelungen am Arbeitsplatz gehalten werden können.

 

[1]     Art. 328 OR (Obligationenrecht), Art. 6 ArG (Arbeitsgesetz).

[2]     Art. 10b Abs. 2 COVID-19-Verordnung 2 vom 13. März 2020 (Stand am 17. April 2020): Als besonders gefährdete Personen gelten Personen ab 65 Jahren und Personen, die insbesondere folgende Erkrankungen aufweisen: Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen, Erkrankungen und Therapien, die das Immunsystem schwächen, Krebs.

[3]     Art. 324 OR.

[4]     Art. 10c Abs. 2 COVID-19-Verordnung 2.

[5]     Substitution, technische Massnahmen, organisatorische Massnahmen, persönliche Schutzausrüstung, z.B. durch den Einsatz einer Plexiglas-Abschirmung oder den Gebrauch von Schutzmaske, Handschuhen usw.

[6]     Art. 10c Abs. 7 COVID-19-Verordnung 2.

[7]     Art. 10c Abs. 8 COVID-19-Verordnung 2.

 

 

Autor: lic. iur. Michel Rohrer, Präsident des Verwaltungsrats der AEQUITAS AG

Als erfahrener Jurist und Wirtschaftsermittler verfügt Michel Rohrer über eine 20-jährige Berufserfahrung. Er verantwortet komplexe Beratungsmandate. Darüber hinaus ist er Geschäftsführer und Rechtskonsulent mehrerer Unternehmen und Verbände aus den Bereichen IT-Services, Consulting-Dienstleistungen, Steuer- und Unternehmensberatung, namentlich in den Bereichen Compliance, Unternehmensnachfolge, Umstrukturierungen, Gründungen, Liquidationen sowie in der Gewaltprävention und der Forensik.

 

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