«Wir sind kurz davor, unsere Privatsphäre für immer zu verlieren», schreibt StartPage-Gründer Robert E.G. Beens in einem offenen Brief anlässlich des heutigen europäischen Datenschutztages:
In diesen Tagen zeichnet sich ein beunruhigender Trend ab. Während die grössten Tech-Konzerne der Welt immer mehr Gewinne verzeichnen, steigt auch die Zahl der Datenschutzverletzungen und Hacks. Ihre Entwicklungen verläuft fast identisch: nach oben und nach rechts.
Das ist natürlich kein Zufall; Nutzerdaten sind zu einer lukrativen, digitalen Schatzkiste geworden, die von Hackern und Unternehmen gleichermassen begehrt wird. Big Tech-Konzerne nutzen sie, um erschreckend präzise Profile über uns zu erstellen und zu exorbitanten Preisen an Werbekunden weiterzuverkaufen. Für Hacker sind sie ein gefundenes Fressen, um Lösegeld zu erpressen oder andere finanzielle Vorteile daraus zu ziehen. Und für die Nutzer? Heutzutage werden die meisten unserer Online-Daten verkauft, gestohlen oder gleich beides. Immer öfter werden wir von Werbung belästigt, oder finden heraus, dass unsere persönlichen Daten für jeden einsehbar im Internet veröffentlicht wurden. Vorteile gibt es für den Einzelnen eher wenige.
Im Zeitalter der Digitalisierung gerät oft in Vergessenheit, dass unsere persönlichen Daten auch tatsächlich uns gehören. Fotos, Online-Banking-Daten, was wir suchen und kaufen – all diese von uns erstellten Informationen sind sehr individuell. Wir sind der wichtigste Teil in einem Online-Ökosystem, das ohne uns in sich zusammenfallen würde. Ohne uns würden die Gewinne von Big Tech genauso einbrechen wie die Zahl der Datenschutzverletzungen. Es ist also besorgniserregend, dass wir als Nutzer zwar die Schlüssel in der Hand halten, aber dennoch vor der verschlossenen Tür stehen bleiben.
Das ist der erschreckende Zustand der digitalen Privatsphäre im Jahr 2021
Wir befinden uns an einem Wendepunkt der Geschichte. Es reicht nicht, auf eine lückenlose Gesetzgebung oder einen plötzlichen Sinneswandel der Tech-Konzerne zu warten, wenn in der Zwischenzeit Hacks und Datenschutzverletzungen Rekordwerte erreichen. Es liegt an uns, eine Entscheidung zu treffen: Wir können jetzt kollektive Massnahmen ergreifen, um die Kontrolle über unsere Online-Privatsphäre zurückzuerlangen, oder wir gehen weiter den Weg des geringsten Widerstands – und verlieren sie für immer.
Die Kette von Ereignissen, die zu diesem Wendepunkt in der Privatsphäre geführt hat, reicht Jahrtausende zurück. Vor der Entwicklung moderner Technologien, waren es Regierungen und Politiker, die Verbrechen gegen den Datenschutz begingen.
Im alten Rom bauten Spitzenpolitiker ihre eigenen Überwachungsnetzwerke auf, um über die Machenschaften ihrer Rivalen informiert zu sein. Im Mittelalter hatte die römisch-katholische Kirche ihr eigenes gigantisches Überwachungsnetzwerk, um die Verbreitung von Gerüchten zu unterbinden. Während der Französischen Revolution wurden eine halbe Million als verdächtig geltende französische Adlige von “Überwachungskomitees” der neuen Regierung verhaftet. Und in den 1930er Jahren beschleunigte die Technologie von IBM, eines der ersten “Big Tech”-Unternehmen, den Völkermord der Nazis durch die Erstellung und Tabellierung von Lochkarten für Volkszählungsdaten.
Mit Beginn des digitalen Zeitalters in den 1990er Jahren begann der rasche Aufstieg grosser Tech-Konzerne, für deren Angebote wir einen hohen Preis zahlten: unsere Daten. Im Gegensatz zu den autoritären Überwachungspraktiken, die von den Regierungen der Geschichte eingesetzt wurden, positionierten Tech-Konzerne die Beziehung zu ihren Nutzern als wäre sie zum beiderseitigen Vorteil. Sie versorgten uns mit tollen Produkten und Dienstleistungen und wir gaben ihnen im Gegenzug unser Geld, ohne weiter darüber nachzudenken.
Doch was als eine transaktionale Beziehung zwischen Big Tech und uns Nutzern begann, hat sich schnell zu einer sehr einseitigen Angelegenheit entwickelt. Der Preis, den wir für ihre Waren bezahlen, ist nicht mehr allein monetär, sondern besteht aus unseren Daten, unserer Privatsphäre und unserer Freiheit, die an den Meistbietenden verkauft werden.
Im Laufe der Jahre haben Tech-Konzerne immer wieder ein wenig mehr von ihren Nutzern verlangt. Und wir haben ihnen unsere wertvollste Währung (unsere Daten) überlassen, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden. Wir lesen keine Datenschutzrichtlinien, wir vergessen die unzähligen Datenschutz-Tools, die auf dem Markt verfügbar sind, und das Passwort, das wir zu unserem Schutz verwenden ist oft eine Kombination der Zahlen 1-10. Das Ergebnis: Viel zu viele unserer persönlichen Daten befinden sich ausserhalb unserer Kontrolle und in den Händen derer, die sie verkaufen oder nutzen, um ihren eigenen Profit zu steigern.
Aber wir sind in diesem Kampf nicht allein. In den letzten Jahren wurde bereits vieles unternommen, um Angriffe auf die Online-Privatsphäre von Nutzern zu verhindern – vor allem durch entsprechende Gesetzgebung. Die europäische DSGVO, die vor fast drei Jahren in Kraft trat, sowie das kalifornische CCPA aus 2020, sollen einen Beitrag dazu leisten, wie und was Unternehmen von Nutzern sammeln einzuschränken.
Letztes Jahr wurde der USA Freedom Act erneut vom US-Senat autorisiert, der die unbefugte Sammlung von Such- und Browser-Verläufen verbietet. Viele der grossen Tech-Konzerne mussten daraufhin hohe Geldstrafen zahlen und sich vor der US-Regierung für ihr Fehlverhalten verantworten. Die Gründe für die Anklage sind aber dieselben, die die Konzerne zu gross und mächtig machen, um ihr Verhalten zu ändern: Unsere Daten sind unbezahlbar.
Wir als Verbraucher müssen die Dinge selber in die Hand nehmen
Wenn es um unsere Privatsphäre geht, reicht es nicht aus, auf die richtige Gesetzgebung oder einen Sinneswandel zu hoffen. Genauso wenig hilft es, untätig herumzusitzen und das Problem zu ignorieren, das mit jeder Sekunde, die wir im Internet verbringen, wächst.
Wir befinden uns an einem kritischen Wendepunkt in der Geschichte. Wir wissen, was mit unseren Daten passiert, wir kennen die Konsequenzen und wir haben die Mittel zur Verfügung, die Kontrolle über das, was uns rechtmässig gehört, zurückzuerlangen. In diesem kritischen Jahr müssen wir uns für einen Weg entscheiden: Der eine ist bequem, aber auch verheerend. Der zweite ist geringfügig schwieriger, aber er führt zu mehr Unabhängigkeit und persönlicher Freiheit.
Welchen Weg werdet ihr wählen? Eine Liste von hilfreichen Tools die euch helfen können, die Kontrolle über eure Privatsphäre zurückzugewinnen, findet ihr auf PrivacyTools.io
Autor: Robert E.G. Beens, Gründer von StartPage