Freitag, 20. September 2024
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Im Jahr 2019 haben die Schweizer Strafverfolgungsbehörden und der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) beim Dienst Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr (Dienst ÜPF) insgesamt mehr Überwachungsmassnahmen angeordnet als im Vorjahr. Massnahmen in Echtzeit gab es hingegen deutlich weniger. Ihre Zahl nahm um 15 Prozent ab. Dies zeigt die jährliche Statistik zur Fernmeldeüberwachung. Diese verzeichnet erstmals auch abgeschlossene Einsätze mit besonderen Informatikprogrammen (GovWare).

Die Anzahl der durchgeführten Echtzeitüberwachungsmassnahmen (z.B. Mithören von Telefonaten oder Mitlesen von E-Mails) ist von 1’676 im Vorjahr auf 1’429 im Jahr 2019 gesunken (-15 Prozent). Ein Anstieg ist demgegenüber bei den rückwirkenden Überwachungsmassnahmen (Verbindungsnachweise, wer wann mit wem wo wie lange telefoniert hat) zu verzeichnen. Rückwirkende Überwachungsmassnahmen, zu denen auch Antennensuchläufe (Verbindungsnachweise auf einer bestimmten Mobilfunkzelle) gehören, wurden 6’550 angeordnet gegenüber 5’225 im Vorjahr (+25 %).

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Die Zunahme bei den rückwirkenden Überwachungen ist zum einen auf den vermehrten Einsatz von Antennensuchläufen zurückzuführen. Zum andern hat sie auch technische Gründe. So wurde am 18. März 2019 eine neue Systemkomponente eingeführt (Warrant Management Component, WMC), mit der Antennensuchläufe nun statistisch feiner erfasst und ausgewiesen werden können. Antennensuchläufe wurden in 27 Fällen angeordnet, dabei wurden 1’726 Mobilfunkzellen à 2 Stunden analysiert. Das sind 91 Prozent mehr als 2018.

Die Zahl der Notsuchen blieb 2019 bei 663 stabil (651 im Vorjahr). Bei den Fahndungen nach entflohenen Häftlingen, die erst seit Einführung des neuen Gesetzes im 2018 möglich sind, ist ein Anstieg festzustellen. Ihre Zahl beläuft sich auf 24 (gegenüber 6 im Vorjahr). Die gesamte Anzahl Überwachungsmassnahmen steigt also auf 8’666 (gegenüber 7’558 im Vorjahr).

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IMSI-Catcher und GovWare

Für 2019 sind erstmals auch abgeschlossene Einsätze mit besonderen Informatikprogrammen (GovWare) zu verzeichnen. Zwölf Einsätze gab es mit diesem Ermittlungsinstrument. Die meisten davon wurden bei schweren Delikten gegen Leib und Leben und schweren Betäubungsmitteldelikten eingesetzt. Die Anzahl Einsätze der besonderen technischen Geräte (IMSI-Catcher) beläuft sich auf 103 (Vorjahr: 84). Diese Instrumente wurden grösstenteils bei schweren Betäubungsmitteldelikten und Notsuchen nach vermissten Personen eingesetzt.

Bei schweren Vermögensdelikten wird vermehrt überwacht

Rund 40 Prozent aller Überwachungsmassnahmen wurden von den Strafverfolgungsbehörden angeordnet, um schwere Vermögensdelikte aufzuklären. 26 Prozent betreffen schwere Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und rund 10 Prozent strafbare Handlungen gegen Leib und Leben. Der Rest teilt sich auf diverse Deliktarten auf, darunter Verbrechen und Vergehen gegen die Freiheit und den öffentlichen Frieden.

Setzt man die angeordneten Fernmeldeüberwachungen in Relation zur Gesamtzahl der Delikte gemäss polizeilicher Kriminalstatistik (2019: 544 781), zeigt sich, dass die Strafverfolgungsbehörden in etwa 1,5 Prozent aller Delikte eine Fernmeldeüberwachung anordnen. Der grösste Anteil entfällt auf gemeingefährliche Verbrechen und Vergehen (11.3 %), Verbrechen und Vergehen gegen die Rechtspflege (6.5 %) und Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben (3.2 %), also Straftaten, von denen viele mit einer Freiheitstrafe von mindestens einem Jahr sanktioniert sind.

Überwachungen des NDB

Der NDB ordnete im Jahr 2019 49 Überwachungen an und stellte 6’422 Auskunftsgesuche. Im Jahr davor waren es 388 Überwachungen (-88 %) bzw. 8’011 Auskunftsgesuche (-20 %). Anzumerken ist, dass sich die Zählweisen des NDB und des Dienstes ÜPF unterscheiden (siehe dazu Infobox).

Gebühren und Entschädigungen

Die Strafverfolgungsbehörden und der NDB entrichteten im Jahr 2019 total 12.6 Millionen Franken Gebühren, rund 4 Prozent mehr als im Vorjahr. Den Mitwirkungspflichtigen wurden Entschädigungen in der Höhe von rund 6 Millionen Franken vergütet (-8 %). Der Gesamtaufwand des Dienstes ÜPF ist in diesem Jahr mit 31.5 Millionen Franken höher als im Vorjahr mit 28.5 Millionen Franken. Der Kostendeckungsgrad des Dienstes ÜPF verringert sich damit von 49 auf 40 Prozent.

Glossar

Echtzeitüberwachung 
Eine Echtzeitüberwachung ist die simultane, leicht verzögerte oder periodische Übertragung der Post- oder Fernmeldeverkehrsdaten; z. B. Telefon- oder E-Mail-Überwachungen (Mithören von Telefonaten bzw. Mitlesen von E-Mails).

Rückwirkende Überwachung 
Eine rückwirkende Überwachung beinhaltet v. a. die Verbindungsnachweise (wer hat mit wem wann wo und wie lange telefoniert) der zurückliegenden sechs Monate.

Antennensuchlauf
Ein Antennensuchlauf umfasst die rückwirkende Überwachung aller an einem bestimmten Standort angefallenen Kommunikationen, Kommunikationsversuche und Netzzugänge, welche über eine bestimmte Mobilfunkzelle (oder WLAN Zugangspunkt) während eines bestimmten Zeitraumes stattgefunden haben. Eine Anordnung betrifft eine Zelle über einen Zeitraum von 2 Stunden.

Fahndung 
Im Rahmen einer Fahndung versuchen die Strafverfolgungsbehörden Personen aufzuspüren, gegen die in einem rechtskräftigen und vollstreckbaren Entscheid eine Freiheitsstrafe verhängt oder eine freiheitsentziehende Massnahme angeordnet worden ist.

Notsuche 
Ausserhalb von Strafverfahren können Massnahmen der Fernmeldeüberwachung angeordnet werden, um vermisste Personen wie z. B. verunfallte Wanderer oder vermisste Kinder über die Ortung von mitgeführten Mobilgeräten zu finden und zu retten.

Einfache Auskunft
Einfache Auskünfte können Basisinformationen zu Teilnehmeranschlüssen (Telefonbuchabfragen) sein oder sie können den Behörden über Fragen wie "Welche Telefonnummern sind auf eine bestimmte Person registriert?" Auskunft geben.

Komplexe Auskunft 
Komplexe Auskünfte (ehemals technisch-administrative Auskünfte) liefern weitergehende Informationen zu Fernmeldeanschlüssen wie Vertrags- oder Ausweiskopien.
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