Freitag, 20. September 2024
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Letzte Woche wurde ein Fluglotse vom Bundesgericht zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Danach meldeten sich rund ein Dutzend Fluglotsen krank. Sie fühlten sich den Anforderungen des Dienstes nicht mehr gewachsen. Das ist jedoch nur eine Seite der Verurteilung. Sie könnte nämlich auch dazu führen, dass Fehler ohne Auswirkungen oder Beinahe-Fehler gar nicht mehr erst gemeldet werden. Dabei wäre genau diese Fehlerkultur in einem derart sensitiven Bereich enorm wichtig.

Ein Fluglotse muss sich auf seine Arbeit konzentrieren können. «Wenn sich ein Lotse nicht fit fühlt, dann arbeitet er nicht», sagte Skyguide-Sprecher Vladi Barrosa in einem Bericht des «Tages-Anzeiger». Diese Regelung ist ein Teil des Sicherheitskonzeptes bei Skyguide. Die in der Schweiz erstmalige Verurteilung eines Flugverkehrsleiters habe die Fluglotsen aufgewühlt und verunsichert und zahlreiche Lotsen hätten deswegen den internen Betreuungsdienst konsultiert, der ganz besonders für das Stressmanagement zum Einsatz kommt.

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Was war passiert?

Die Verurteilung betrifft eine Annäherung zweier Verkehrsflugzeuge im April 2013 über dem Kanton Luzern. Skyguide kritisiert das Urteil, weil es sich um eine Verurteilung handle, ohne dass ein Schaden entstand, schreibt auch die NZZ. Die Sicherheitsnetze hätten funktioniert und die Situation sei damals rasch entschärft worden. Der Vorfall spielte sich so ab: Eine Ryanair-Maschine bat den Tower wegen zu erwartenden Turbulenzen, auf eine andere Flughöhe steigen zu dürfen. Ohne nachzufragen erteilte der Fluglotse einem anderen Ryanair-Flugzeug die Erlaubnis zu steigen. Dieser Pilot reagierte nicht auf den Funkspruch, jener des ersten Flugzeugs bedankte sich. Als er zum Steigflug ansetzte, löste das Konfliktwarnsystem Alarm aus: Die erste Ryanair-Maschine näherte sich nämlich einem Flugzeug der Air Portugal an. Der geringste Abstand der beiden Flugzeuge betrug horizontal 1,5 Kilometer und vertikal 198 Meter – der Mindestabstand läge bei 9,26 Kilometer bzw. 305 Meter.

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Auswirkungen auf die Fehlerkultur

Aus dem Urteil wird klar: Fluglotsen dürfen keinerlei Fehler machen. Sonst werden sie verurteilt. Ganz egal, ob ihre Fehler Auswirkungen haben, ob sie die Fehler noch zurechtbiegen können oder ob sie Fehler überhaupt erst melden, um sie künftig vermeiden zu können. Tatsache ist aber, dass jeder Mensch Fehler macht. In jedem Unternehmen macht es deshalb Sinn, nicht nur Unfälle zu melden, sondern auch Beinahe-Unfälle. So kann für die Zukunft eine bessere Lösung gesucht und ein tatsächlicher Unfall vermieden werden. Auch Fluglotsen sind angehalten, solche Vorfälle zu melden, um Probleme rasch zu erkennen und Lösungen dafür zu finden. Diese Fehlerkultur basiert natürlich darauf, dass der Fluglotse straffrei bleibt, sofern er nicht grobfahrlässig oder sogar vorsätzlich gehandelt hat.

Vladi Barrosa bestätigt gegenüber watson.ch, dass dieses freiwillige Melden von Fehlern bislang tadellos funktioniert habe. Auch im vorliegenden Fall habe der Flugverkehrsleiter den Vorfall gemeldet, wodurch eine externe Untersuchung eingeleitet worden sei. Doch die neue Handhabung der Justiz ändere nun das Verhalten der Fluglotsen bezüglich dieser Fehlerkultur. So sei spürbar, dass die Qualität der Selbstmeldungen nachlassen würde. Laut Barrosa wurde früher bei einem Vorfall detailliert geschildert, was passiert ist. «Heute überlegen sich die Fluglotsen, ob sie wirklich alles sagen sollen. Denn sie wissen jetzt, dass alles, was sie melden, auch gegen sie verwendet werden kann.» Dieses Urteil helfe also der Sicherheit definitiv nicht.

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Chefredaktor safety-security.ch / CEO bentomedia GmbH / Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Betriebssanität SVBS / SFJ-Award für Qualitäts-Fachjournalismus

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