Donnerstag, 19. September 2024
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Ich bin seit über 20 Jahren als Berater Chemiesicherheit unterwegs und habe, nebst zahlreichen Beratungsmandaten, unzählige Stunden als Referent, Schulungsleiter und Ausbildner in meinem Erfahrungsrucksack. Meine Erfahrung zeigt, dass der Wissensvermittlung im Bereich der Sicherheit bis auf Stufe der Sicherheitsverantwortlichen sehr viel Bedeutung und auch Motivation beigemessen wird. Es hapert dann aber an der Weitergabe dieses Wissens an die Mitarbeitenden im Unternehmen. Oft fehlt es nicht am Willen, sondern an der Erfahrung diesen Wissenstransfer so zu gestalten, dass er effektiv ist und nicht zu einer Alibiübung verkommt.

Autor: Ralf Mengwasser, Swiss Safety Center AG *

Warum äussere ich mich zum Thema «Wissensvermittlung»? Wir alle haben unsere teils leidvollen Erfahrungen gemacht – mit Lehrer und Lehrerinnen und Referenten und Referentinnen, die uns Wissen vermitteln sollten – es jedoch nicht schafften. So habe ich mich gefragt: «Woran liegt es und was kann jeder dazu beitragen, dass in Weiterbildung investierte Zeit allen Beteiligten zugutekommt?»

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Generell wird Wissen als ein für Personen oder Gruppen verfügbarer Bestand von Fakten, Theorien und Regeln verstanden, die sich durch den grösstmöglichen Grad an Gewissheit auszeichnen. Aber Wissen gilt auch als vierter Produktionsfaktor neben Arbeit, Kapital und Boden.

Wo liegt der Schlüssel zur erfolgreichen Wissensvermittlung?

Der Grundstein für eine erfolgreiche Wissensvermittlung ist die Vorbereitung. Weit vor der Durchführung einer Schulung muss diese geplant werden. Im Zentrum der Vorbereitung steht, wer an der Schulung teilnimmt und welches Wissen aufgefrischt oder neu erlernt werden soll. Zudem ist auch zu beachten, in einem handwerklichen, eher praxisorientierten Umfeld Schulungen so kurz und praxisnah wie möglich durchzuführen. Der Grund: Berufstätige, die mehrheitlich mit ihrem Körper und ihren Händen arbeiten, sind sich weniger gewohnt ausschliesslich sitzend zuzuhören und das Gehörte dann in ihren Praxisalltag umzusetzen.

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Wie kann man diesem Umstand Rechnung tragen?

Kurze Schulungen kann man im Rahmen von monatlichen Teammeetings oder aber vor oder nach der gewöhnlichen Arbeitszeit einplanen, ohne dass die Produktivität der Mitarbeitenden gross beeinträchtigt wird. Damit die zur Verfügung stehende Zeit einer Schulung optimal genutzt werden kann muss der Referent oder die Referentin zum Instrument der didaktischen Reduktion greifen, einem Kernelement der Wissensvermittlung. Dabei werden umfangreiche und komplexe Inhalte für die Lernenden ausgewählt und aufbereitet.

Es gilt der Grundsatz: Das Lernwürdige vom Lernmöglichen trennen. Leider erlebe ich es persönlich in Schulungen, an denen ich teilnehme, immer wieder, dass diese thematisch überfüllt sind und oftmals eine mit Text übervolle PowerPoint-Folie die nächste jagt. Ihre Frage vorwegnehmend: Ja, ich nutze auch PowerPoint und nein, meine Schulungen bestehen nicht zu 30 Prozent aus Gruppenübungen.

Wie sieht die Umsetzung in die Praxis aus?

Nachdem der zeitliche und inhaltliche Rahmen der Schulung soweit abgesteckt sind, geht es an die Erstellung der Schulung. Seit Corona hat sich unser Alltag mehr digitalisiert. Eine physische Schulung mit persönlichen Gesprächen zwischen den Referierenden und den Teilnehmenden in den Pausen ist sicherlich nach wie vor sehr wertvoll und diese Form der Schulung wird es auch weiterhin geben. Parallel dazu sollte der digitale Kanal nicht ungenutzt bleiben. Diese mit relativ wenig Aufwand nutzbare und heutzutage in allen Unternehmungen vorhandene Technik kann vor allem für kurze Schulungen, auch von kleinen Gruppen, genutzt werden.

Wichtig dabei ist, dass die Teilnehmenden über die Chatfunktion oder mündlich Fragen stellen oder aber auf gestellte Fragen antworten können. Unabhängig davon ob ein Kurs in Präsenz oder Web-Live durchgeführt wird – inhaltlich versuche ich in meinen Schulungen die Praxis der Teilnehmenden durch Bilder ihres Alltags einzufangen und diese dann in Bezug auf allfällige Abweichungen zu Vorschriften oder sicherheitsrelevanten Aspekten in der Schulung zu besprechen.

Die Aussage eines Kursteilnehmers: Ich verstehe zwar was mir gesagt wurde, aber ich vergesse es gleich wieder. Entweder weil ich es nicht gewohnt bin zu lernen oder schlicht vergesslicher geworden bin.

Gemäss der anerkannten Lern-Taxonomie nach Bloom (s. Grafik) muss das in einer Schulung vermittelte Wissen verstanden und angewandt werden. Die Teilnehmenden müssen aktiv miteinbezogen werden. Hierzu stehen diverse Möglichkeiten zur Verfügung. Von den klassischen Gruppenarbeiten mit anschliessender Präsentation mal abgesehen, sollten Umfragetools wie sli.do, mentimeter oder kahoot für den Einbezug der Teilnehmenden eingesetzt werden. Die anonyme Teilnahme zu behandelten Schulungsthemen führt in Echtzeit zu einer Rückmeldung, welches Wissen die Teilnehmenden wie gut aufgenommen haben. Die Referierenden erhalten auf diese Weise ein direktes Feedback, was bei den Teilnehmenden wissenstechnisch hängen geblieben ist.

Lern-Taxonomie nach Bloom.

Worauf ist sonst noch zu achten?

Die Durchführung selbst ist auch ein wesentliches Element zum Erfolg. Zeitpläne für Schulungen sind einzuhalten, auf einzelne Verspätete sollte nicht allzu lange gewartet werden, schliesslich ist Zeit Geld und die Pünktlichen dürfen sich nicht benachteiligt fühlen. Wichtig ist auch die Einhaltung von Pausen, denn die Köpfe der Teilnehmenden wie auch der Referierenden müssen zwischendurch ‘gelüftet’ werden. In physischen Schulungen haben sich Lektionen bis zirka 90 Minuten bewährt, bei Online-Schulungen mache ich in der Regel nach 50 Minuten eine Pause von zehn Minuten– und dies konsequent. Bei physischen Ganztagesschulungen sollte nachmittags anstelle einer längeren Pause besser zwei kürzere eingeplant werden.

Bekannterweise nimmt die Konzentration bei allen stetig ab, je länger der Arbeitstag dauert. Zum Schluss kommen, ist aus eigenen Erfahrungen bei einigen Referierenden gar nicht so einfach. Darum: die Schulung auf keinen Fall inhaltlich und folienmässig überladen, lieber etwas früher fertig sein als eine Minute zu spät. Denn jeder von uns hat ein Leben nach der Arbeit, der Zug fährt, Termine warten und schon hat die beste Schulung eine nicht mehr so gute Bewertung.

Heutzutage werden Hotels, Restaurants, Einkäufe, erworbene Produkte bewertet. Haben Schulungsteilnehmende überhaupt noch Lust ein Feedback abzugeben?

Zu jeder Schulung sollte es ein Feedback geben. Leider geben in unserer schnelllebigen Zeit tatsächlich längst nicht alle Teilnehmenden ein Feedback ab. Dabei geht es nicht um Lobhudelei, sondern um eine ehrliche Rückmeldung, was gut war und was verbessert werden kann oder muss. Aus eigener Erfahrung würde ich mir wünschen, mehr Feedback nach Schulungen zu erhalten. Egal ob als Kursleiter oder in Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber der Schulung sollte ein Resümee gezogen werden, was in einer nächsten Schulung verbessert, welche Themenschwerpunkte behandelt werden und wann es ein Update der durchgeführten Schulung geben soll. Denn nach der Schulung ist vor der Schulung.

Zum Schluss ein paar Tipps zur Wissensvermittlung aus persönlicher Sicht

Auch ich darf regelmässig an Schulungen teilnehmen, mehrheitlich gebe ich diese jedoch. Idealerweise sollten Schulungsgruppen nicht grösser als 20 Teilnehmende haben, denn so hat jede(r) die Möglichkeit, Antworten auf seine Fragen zu erhalten. Bei einer Tagesschulung sollten zu Beginn die Erwartungen der Teilnehmenden abgeholt und festgehalten werden. Dies kann, als Tipp, im Vorfeld beispielsweise auch via Mail gemacht werden, um in der Schulung nicht allzu viel Zeit zu verlieren. Sollten Bilder aus dem Unternehmen der Teilnehmenden verwendet werden, sollte darauf hingewiesen werden, dass es bei der Verwendung der Bilder nicht darum geht die Verantwortlichen in Bezug auf die angetroffene Situation bloss zu stellen, sondern die angetroffene Situation als Verbesserungspotential anzusehen.

Übrigens: auch gute Beispiele dürfen gerne in Schulungen gezeigt werden. Ein wesentliches Element meiner Schulungen ist der Einbezug der Teilnehmenden durch Fragen. Dies bedingt dann, dass der/die Referierende natürlich sattelfest auf diesem Gebiet sein muss. Aber keine Angst vor Fragen, die allenfalls nicht beantwortet werden können. Hier gilt der Grundsatz: Frage aufnehmen und im Nachhinein beantworten. Bis zum heutigen Tag hat sich dies noch nie als ein Problem dargestellt. Auch hier gilt: Übung macht den Meister.

* Zum Autor:

Ralf Mengwasser
Berater Chemiesicherheit beim Swiss Safety Center

 

 

Ein weiterer Artikel von diesem Autor: Lithiumbatterien: Chance und/oder Risiko

 

Kurse mit Ralf Mengwasser:

24. Gefahrguttag Schweiz, Wallisellen, 19.10.2022

24. Gefahrguttag Schweiz, Internet Plattform, 19.10.2022

Safety Compact – Lagerung von Gefahrstoffen, Internet Plattform, 24.10.2022

Safety Compact – Lagerung von Gefahrstoffen, Internet Plattform, 04.11.2022

Safety Compact – Gefahrgut-Update, Internet Plattform, 09.11.2022

11. Gefahrstofftag Schweiz, Wallisellen, 10.11.2022

Safety Compact – Lagerung von Gefahrstoffen, Internet Plattform, 01.02.2023

Gefahrstoff: Chemikalien-Ansprechperson, Wallisellen, 08.03.2023

Safety Compact – Lagerung von Gefahrstoffen, Internet Plattform, 21.04.2023

Infos: https://akademie.svti-gruppe.ch/

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